Im siebten Flötenhimmel

Concerto Stella Matutina mit exquisiten Werken für Block- und Traversflöte.
Götzis „Variatio delectat“ haben sich die Programmmacher von CSM sicher gedacht, als sie sich für das Konzert am 13./ 14. Juni in Götzis nach der gewaltigen Klangorgie von Bibers „Missa Salisburgensis“ für leise Töne entschieden haben: Unter dem Motto „Die ungleichen Schwestern“ standen Werke für Travers- und Blockflöte auf dem Programm. Kuratiert von Wolfram Schurig, der selbst als Solist auftrat, die musikalische Leitung innehatte und das Konzert kundig moderierte, entfaltete sich ein Panorama hochbarocker Musik, bei dem die beiden verwandten, aber in Klang und Spielweise unterschiedlichen Blasinstrumente im Mittelpunkt standen.

Die verschiedenen Klangqualitäten konnte man gleich zu Beginn in Telemanns Quatuor in d-moll für Blockflöte und zwei Traversflöten erleben. Die Blockflöte klingt schneidender und ist für schnelles, virtuoses Spiel sehr gut geeignet, die Traversflöte hat eine größere Ausdrucksfähigkeit und einen süßeren Klang. Das Zusammenspiel zwischen Schurig an der Blockflöte und Angelika Gallez und der Wiener Flötistin Gertraud Wimmer als Gast an den Traversflöten klappte in dieser feingliedrigen Komposition mit vielen kunstvollen Verzierungen perfekt, nur manchmal war das Continuo etwas zu laut. Höhepunkt des ersten Teils war Bachs Konzert für Cembalo und zwei Blockflöten in F-Dur, BWV 1057, eine Bearbeitung seines eigenen Vierten Brandenburgischen Konzerts, bei der er den ursprünglichen virtuosen Violinpart in einen ebenso virtuosen Cembalopart umgeschrieben hat. Zu Schurig trat die in der Schweiz lebende Eva Lio als kongeniale Blockflötensolistin, Johannes Hämmerle am Cembalo schüttelte die perlenden Triller und rauschenden Läufe geradezu übermütig aus dem Ärmel. Das Orchestertutti begleitete sehr fein und durchsichtig. Zwei gewichtige Telemann-Konzerte bekam man im zweiten Teil zu hören: Das Konzert für Violine solo und zwei Traversflöten in e-moll und eines ebenfalls in e-moll, das einzige existierende für Blockflöte und Traversflöte solo. Im ersten gestalteten wieder Gallez und Wimmer ihren Part perfekt harmonierend, virtuos in den schnellen und expressiv in den langsamen Sätzen – und auch eine Augenweide in ihren rot-schwarzen Konzertroben. David Drabek ging völlig in seinem Spiel auf und gestaltete seinen Part ausgesprochen farbig und leidenschaftlich.

Obwohl alle Solisten dieses Abends und das Orchester hervorragend spielten, kristallisierte sich doch Angelika Gallez als der heimliche Star heraus: Wie sie ihren Part auch in Johann Friedrich Faschs Sonata in G-Dur für Traversflöte und zwei Blockflöten und in Telemanns Konzert für Blockflöte und Traversflöte solo gestaltete, das macht ihr nicht so leicht jemand nach. Sie steht ruhig da, bläst in ihre Traversflöte, als ob es nichts Einfacheres gäbe, gestaltet den Ton wunderschön und differenziert und bringt ihre Verzierungen mit Geschmack und selbstverständlicher Leichtigkeit an. Einen ganzen Konzertabend lang dem ätherischen Klang der Flöten ausgesetzt zu sein, ist das Gegenteil von Lärmfolter: Es versetzt einen in den siebten Flötenhimmel. Die Rückkehr auf die Erde schaffte der Schlusssatz von Telemanns Konzert in e-moll für Blockflöte und Traversflöte solo: Mit seinen von polnischer Volksmusik inspirierten derben Rhythmen animierte er das Publikum im Schlussapplaus zu begeistertem Johlen und Stampfen; als Zugabe erklang noch einmal das Presto aus Telemanns Violin-Traversflötenkonzert.
Ulrike Längle