Die schönste Zeit
Sie ist Prüfstein, Übergang und Meilenstein zugleich: Die Matura. Wenn sie geschafft ist, beginnt ein ganz besonderer Sommer im Leben junger Menschen – zwischen Leichtigkeit, Loslassen und der Aussicht auf ein neues Kapitel, schreibt VN-Redakteur Klaus Hämmerle.
Es gibt sie mehrfach im Laufe einer Schullaufbahn, die Schnittstellen und Bildungswegentscheidungen. Vom Kindergarten in die Volksschule, von dort in die Sekundarstufe eins mit bereits mehreren Möglichkeiten, die Optionen einer erneuten Richtungsänderung im Alter von 14.
Aber nichts kann als Zäsur mit der Matura mithalten. Wenn die Kinder, keine Kinder mehr sind. Wenn sie strahlend und stolz als junge Frauen und Männer ihr ganz besonderes Dokument mit dem amtlichen Beleg für akademische Reife entgegennehmen. Wenn sie in die Welt hinausgehen, und vielleicht nie mehr für immer heimkommen.
Die bestandene Matura markiert im Leben einen speziellen Wendepunkt. Der Weg danach kennt keine eingegrenzte Auswahl an Möglichkeiten mehr. Die Tür öffnet sich zu einem Universum an Chancen und Pfaden. Die Welt ist so offen wie nie zuvor. Eine Rampe zum Abflug in eine Lebensphase, die bei den Meisten erst allmählich feste Bahnen formt.
Die Matura hat ihren elitären Anstrich schon längst verloren. Das ist gut so.
Nicht verloren hat sie ihren Zauber und ihre Rituale. Und vielleicht auch nicht ganz ihre Unschuld. Denn junge Leute, so besagen Studien, strecken früher denn je ihre Ellenbogen aus, im Streben nach Karriere und materiellem Status. Die Phase vor Eintritt in dieses Zeitalter ist kurz.
Sie beschränkt sich häufig auf die Wochen nach bestandener Reifeprüfung. Wenn Emotionen regieren. Wenn sich Wehmut über das Ende einer Gemeinschaft, die bis zu acht Jahre lang Bestand hatte, breit macht. Wenn Tränen des Abschieds fließen. Und doch auch dieses überragende Hochgefühl der Freude da ist über das Erreichen eines großen Ziels.
Die Wochen nach einer bestandenen Matura. In einer Welt wie dieser für junge Leute vielleicht die Schönsten im Leben. Mit dem erworbenen Recht zu feiern und zu genießen.
Früh genug werden sich die Maturanten von heute in Studium, Beruf oder Berufsausbildung zu bewähren haben. Herausforderungen mit großem Reiz. Spannend und vielfach erfüllend, gewiss. Aber niemals mehr mit jener Unbeschwertheit versehen, die man als frischgebackener Maturant in sich trägt.
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