Eltern eines gemobbten Schülers (14): “Unser Sohn wurde in den Suizid getrieben!”

Schüler nahm sich im Vorjahr das Leben. Eltern sind überzeugt, dass ihr Sohn Opfer von Mobbing an einem Bundesgymnasium im Vorarlberger Unterland wurde.
Schwarzach Mark* wurde nur 14 Jahre alt. Im Dezember des Vorjahres mussten ihn seine Eltern zu Grabe tragen. Der Schüler eines Bundesgymnasiums im Vorarlberger Unterland hatte sich das Leben genommen. Aus Verzweiflung über die Behandlung durch seine Mitschüler, sind die Eltern überzeugt. Und dies von der ersten bis zur vierten Klasse, wie der Vater im Gespräch mit den VN schildert.
Mittlerweile wurde Anzeige bei der Polizei erstattet. Zudem wollen die Eltern mithilfe einer Bregenzer Rechtsanwältin Amtshaftungsansprüche geltend machen. Es geht um Schadenersatzforderungen an die Republik Österreich als Schulerhalter. Vorgeworfen werden Pflichtverletzungen durch leitende Lehrpersonen, weil dort auf das Mobbing nicht entsprechend reagiert worden sei, wie es im anwaltlichen Schreiben an die Finanzprokuratur heißt. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Die Vorwürfe der Familie des Mobbing-Opfers haben es in sich. Im Schreiben, das den VN vorliegt, werden Vorgänge im Detail beschrieben: Ein Schüler der Mobbing-Gruppe habe Mark demnach unter anderem als “geistig behindert, Neger mit Eltern ohne Geld für Essen und Untermenschen” beschimpft. Mark sei sogar geschlagen worden. Und das mehrfach. Im Garderobenbereich der Schule hätten Mitschüler das Zahlenschloss von Marks Spind verstellt, sodass er ihn nicht mehr öffnen konnte. Anschließend sollen sie den Kasten mit Fußtritten zerstört haben, um dies ihrem Opfer dann selbst anzulasten. Der schuldlose Minderjährige sei dann von der Klassenvorständin mit Aufräumen bestraft worden.
Verprügelt
In einem anderen Fall hätten in der dritten Klasse mehrere Jugendliche auf Video bei einem Funkenfest aufgezeichnet, wie Mark verprügelt wurde. Das Video sei in der gesamten Klassengemeinschaft verteilt und der Bub damit erneut bloßgestellt und lächerlich gemacht worden. Mark suchte daraufhin Kontakt bei einer Vertrauenslehrerin. Doch die hätte nicht interveniert, so die Eltern. Schließlich habe es sich um eine private Sache außerhalb des schulischen Bereiches gehandelt, hätte die Lehrerin argumentiert.
“Dass genau dieses Video zur Diskriminierung von Mark in der Klasse immer wieder benutzt worden ist, wurde seitens der Schule ignoriert und wieder keine weiteren Maßnahmen gesetzt”, wird im Schreiben die Tatenlosigkeit der Schule erörtert, die sich wie ein roter Faden durch die Jahre gezogen habe.
“Kein Klassentourismus”
Die mehrmaligen Hilferufe des Minderjährigen an die Klassenvorständin blieben ungehört, heißt es weiter. Aufgrund des endlosen Mobbings kontaktierte Mark in der vierten Klasse schließlich den Schuldirektor mit der Bitte um einen Klassenwechsel. Doch dies sei vom Schulleiter mit der Begründung abgelehnt worden, dass man “keinen Klassentourismus wegen irgendwelcher Befindlichkeiten einzelner Schüler wolle”. So jedenfalls die Vorwürfe, die jetzt an die Finanzprokuratur übermittelt wurden.
Erfolglos interveniert
Marks Eltern bemerkten von Anfang an die Situation. Doch ihre zahlreichen Interventionsversuche bei den verantwortlichen Lehrpersonen seien erfolglos geblieben. Im Dezember 2024 wurde Mark im Elternhaus tot von seinen Angehörigen aufgefunden. Er hatte sich das Leben genommen.
In ihrem Schmerz mussten die Eltern auch noch eine Nachricht eines Mitschülers ertragen. Einer der beteiligten Mobber hatte demnach nach dem Tod von Mark eine WhatsApp-Nachricht an das Handy des Verstorbenen mit verstörendem Inhalt versandt. “Sie zeigt mehrere Hakenkreuzmotive, ein animiertes Bild, das den Suizid durch Erhängen simuliert, und eine sich bewegende Grinch-Figur, die lacht und im Textbereich mit einem “Hehehaha” ergänzt wird”, beschreibt der Vater. Die VN konnten die Nachricht einsehen.
Schock und Seelenschmerz
Die Eltern Marks erlitten einen Schock, die Trauer führte bei ihnen und den Geschwistern zu einer seelischen Erkrankung mit Krankheitswert. Die gesamte Familie nimmt engmaschig Therapie in Anspruch. Die Eltern erstatteten Anzeige bei der Polizei. Dann konsultierten sie die Rechtsanwältin. “Unser Sohn wurde in den Suizid getrieben! Wir werden mit diesem tragischen Ereignis leben müssen. Durch die weiteren Maßnahmen möchten wir auf die Umstände aufmerksam machen und helfen, zukünftige ähnliche Fälle zu vermeiden”, so die Botschaft der Eltern an die Öffentlichkeit.

Stellungnahme der Bildungsdirektion
Die Vorwürfe gegen die leitenden Lehrpersonen des Bundesgymnasiums wiegen schwer. Auf Anfrage wird auf Amtsverschwiegenheit und die Bildungsdirektion verwiesen. Dort ist der beschriebene Vorfall bekannt, wie Elisabeth Mettauer von der Stabsstelle Kommunikation und Schulpartnerschaft den VN bestätigt. In einer schriftlichen Stellungnahme heißt es wörtlich: “Wie wir in Erfahrung bringen konnten, ist eine Anzeige bei der Finanzprokuratur eingelangt. Diese wurde noch nicht an die Bildungsdirektion übermittelt, sodass wir zum genauen Inhalt nichts sagen können. Der tragische Hintergrund ist uns bekannt, die Schule hat uns im vergangenen Schuljahr unmittelbar nach dem Suizid hinzugezogen. Seitens der Bildungsdirektion hat auch ein Gespräch mit dem Vater stattgefunden, bei dem alle gesetzten Maßnahmen erläutert wurden. Diese sind ausführlich dokumentiert und zeigen, dass die Schule ihre Verantwortung in dieser schwierigen Situation wahrgenommen hat und großen Einsatz bei der Begleitung der gesamten Klasse geleistet hat.
* Name von der Redaktion geändert
Hilfe und Beratung
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feldkirch@spdi.at - SpDi Bludenz
+43 (0)50 411 670
bludenz@spdi.at - Die österreichweite Telefonseelsorge ist ebenfalls jederzeit unter 142 gratis zu erreichen.
- SUPRO – Kompetenzzentrum für Gesundheitsförderung und Prävention: www.supro.at
- Österreichische Gesellschaft für Suizidprävention: www.suizidpraevention.at
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Stellungnahme der Vorarlberger Bildungsdirektion in voller Länge
“Wie wir in Erfahrung bringen konnten, ist eine Anzeige bei der Finanzprokuratur eingelangt. Diese wurde noch nicht an die Bildungsdirektion übermittelt, sodass wir zum genauen Inhalt nichts sagen können.
Der tragische Hintergrund ist uns bekannt, die Schule hat uns im vergangenen Schuljahr unmittelbar nach dem Suizid hinzugezogen. Seitens der Bildungsdirektion hat auch ein Gespräch mit dem Vater stattgefunden, bei dem alle gesetzten Maßnahmen erläutert wurden. Diese sind ausführlich dokumentiert und zeigen, dass die Schule ihre Verantwortung in dieser schwierigen Situation wahrgenommen hat und großen Einsatz bei der Begleitung der gesamten Klasse geleistet hat. Bitte beachten Sie, dass zum Schutz der Persönlichkeitsrechte von Schüler/innen und Lehrpersonen keine weitergehende Information in der Sache möglich ist.
Grundsätzlich gilt: Das Thema Suizid darf nicht tabuisiert werden – das offene Gespräch ist wichtig. Gleichzeitig braucht es einen sensiblen, altersgerechten Umgang, damit betroffene Jugendliche nicht zusätzlich belastet oder gar gefährdet werden. Eine detaillierte oder einseitige Berichterstattung birgt das Risiko von Nachahmungseffekten. Bislang wurde aus medienethischen Gründen und im Sinne des Kinder- und Jugendschutzes darauf verzichtet, über Einzelfälle zu berichten. Zielführender ist es, Hilfsangebote sichtbar zu machen und zu betonen, dass Betroffene nicht allein gelassen werden. Zu beachten ist außerdem, dass auch die Schule, insbesondere die beteiligten Lehrpersonen und Mitschüler/innen, durch die Berichterstattung erneut stark belastet werden.
In diesem Zusammenhang möchten wir betonen, dass wir Hinweise auf Mobbing oder psychische Belastungen sehr ernst nehmen. Wir unterstützen Schulen durch verschiedene Angebote, Beratungsstellen und Fachkräfte sowohl bei der Prävention als auch Intervention, dazu gehören insbesondere die Koordinationsstelle Mobbing und die Schulpsychologie. Die Gewährleistung eines respektvollen und sicheren Lernumfelds hat für alle Vorarlberger Schulen Priorität, als Bildungsdirektion arbeiten wir daher laufend daran, Präventions- und Unterstützungsmaßnahmen weiterzuentwickeln.
Gerne stehen wir im Rahmen einer alternativen Berichterstattung für ein Gespräch über Präventionsarbeit, Unterstützungsangebote und den Umgang mit psychischen Belastungen an Schulen allgemein zur Verfügung.