Kommentar: Politik der Beliebigkeit
Wer in der Politik aktiv tätig ist, sollte eigentlich auch eine Vorstellung dessen haben, für was er politisch steht und was seine Kernanliegen sind. Als Vertreter des Volkes – wie es so schön heißt – wäre es zudem eine Verpflichtung, den Wählern zu dienen und deren Sorgen ernst zu nehmen.
Angesichts der jüngsten Diskussionen gewinnt man allerdings eher den Eindruck, als leben viele unserer gewählten Volksvertreter in einem anderen Universum. Während die Welt von einer Krise in die nächste stolpert, diskutiert das EU-Parlament, ob die vegane Wurst noch Wurst heißen darf. Und das nicht, weil es ein ernstes Anliegen der Wähler ist, sondern nur, weil ein paar Bauern-Lobbyisten das so wollen. Aber Abgehobenheit ist kein Alleinstellungsmerkmal von EU-Parlamentariern, auch unsere Abgeordneten zum Nationalrat bemühen sich hart darum. So jüngst FPÖ-Generalsekretär Hafenecker, der allen Ernstes behauptet, die Russland-Sanktionen der EU seien schuld an Unternehmenspleiten. Kritisiert wird also nicht der Kriegstreiber Putin, sondern die EU. Das intellektuell nachzuvollziehen, bleibt größeren Geistern vorbehalten. Unredlich aber ist eine derart absurde Schuldumkehr allemal und diese dürfte wohl auch nur bei eingefleischten blauen Parteigängern auf Zustimmung stoßen.
Während die Welt von einer Krise in die nächste stolpert, diskutiert das EU-Parlament, ob die vegane Wurst noch Wurst heißen darf.
Natürlich finden auch auf der Ebene unserer Bundesländer absolut wichtige politische Aktivitäten statt, auf die die Wähler schon gespannt gewartet haben. Nicht, dass etwas gegen die hohen Wohnpreise oder die Bürokratie getan wird. Es geht um viel wichtigeres: Es müsse endlich, so fordern es in einer gemeinsamen Erklärung die Oppositionsparteien, ein Rederecht für EU-Abgeordnete im Vorarlberger Landtag eingeführt werden. Was das angesichts der völlig unterschiedlichen Kompetenz- und Interessenslage bringen soll, ist unbekannt und die Beispiele von Wien und Kärnten, wo dies möglich ist, zeugen von der Bedeutungslosigkeit derartiger Alibihandlungen.
Weniger beliebig waren hingegen die Posten-Interventionsaktivitäten der Volkspartei. Hier wird tatsächlich dem Wählerwillen entsprochen. Zwar nur dem eines einzelnen Mannes, aber immerhin. Und dass eine Frau die Leidtragende dieser Intervention war, ist auch keine Überraschung. Erstaunt hat nur, wie viele Politiker und politische Kommentatoren die Nase ob diesem Vorgehen gerümpft haben. Jeder auch nur halbwegs informierte Beobachter weiß, dass das selbstverständlich von jeder politischen Partei in Österreich nach Möglichkeit getan wird. Da offenbart sich eine unerträgliche Scheinheiligkeit, die aber wohl rasch wieder in Vergessenheit gerät, wenn das nächste beliebige Thema politisch ausgeschlachtet wird.
Rainer Keckeis ist ehemaliger AK-Direktor Vorarlberg und früherer Feldkircher VP-Stadtrat.
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