Der etwas andere „Detektiv“

Geologe Robert Kruse hat sich der „Spurensicherung“ von Baumaterialien verschrieben.
LAbor Dr. Robert Kruse ist seit über 20 Jahre Wahlgisinger. Als er ein Jobangebot in Liechtenstein erhielt, zog der gebürtige Deutsche mit seiner Frau nach Feldkirch. „Als EU-Bürger darf man ja in Vorarlberg wohnen und wir fühlten uns sofort sehr wohl hier“, merkt Kruse an. „Ich bin zwar Geologe, habe aber noch nie als Geologe gearbeitet.“ Seine Berufung hat er woanders gefunden. Der Grundstein dafür wurde bereits im Studium gelegt. „Es gibt sehr viele verschiedene Bereiche“, erklärt der Forscher. Die Zweige in der Geologie sind breit gefächert, wie etwa die Ingenieursgeologie (für Baugrund, Grundwasser, Triebwasser) oder die Rohstoffgeologie (Erkundung, Erdöl, Lagerstätten und vieles mehr). Darunter findet sich aber etwa die Sedimentologie, die Kruse für sich entdeckt hat: „Dabei geht man in die Berge und erforscht beispielsweise die Strukturen von Gestein.“ Je tiefer man in die Erdkruste geht, desto heißer und formbarer wird das Gestein. „Es ist fast wie Knetmasse“, erklärt der Geologe. Die Bewegungen des Gesteins sind sehr langsam und dauern teilweise Jahrmillionen. Wie es sich verformt hat, kann man mithilfe eines Rasterelektronenmikroskops (REM) untersuchen.
Keramik, Glas und Baustoffe
Nach dem Studium hat es den Geologen zwar in die österreichischen Berge verschlagen, beruflich aber in die Forschung der Keramikverarbeitung. „Es war eine unglaublich spannende Zeit, bei der ich vieles gelernt habe.“ Anschließend sammelte er Berufserfahrung in der Glasindustrie, bevor er sich dann 2018 im Bereich der Werkstoffwissenschaften selbstständig gemacht hat. „Werkstoffwissenschaften beschäftigen sich großteils mit Metallen, die ganz ähnlich untersucht werden wie Gesteine“, erklärt der Forscher. Es hat eine ganze Zeit gedauert, bis Kruses Labor funktionstüchtig war. Nach der Anschaffung eines eigenen Rasterelektronenmikroskops (REM) war der Grundstein aber gelegt.
Asbest im Visier
„Im Prinzip ist es eine Detektivarbeit, die unglaublich spannend ist“, führt Kruse aus. „Man kann nie im Vorhinein sagen, dass man etwas findet.“ Sein REM ist eines der modernsten Geräte in ganz Vorarlberg. Im Keller seines Hauses sind die Räumlichkeiten für das Labor. Sein Hauptgeschäft sind Baustoffproben für Asbest. „Wenn dieses Material vermutet wird, ist es immer ein heikles Thema“, merkt er an.
Asbest ist ein natürlich vorkommendes, faserförmiges Mineral, das aufgrund seiner besonderen Eigenschaften wie z.B. Brandfestigkeit und Chemikalienbeständigkeit vor allem zwischen 1960 und 1990 universell eingesetzt wurde. Aufgrund der inzwischen eindeutig festgestellten Gesundheitsgefahren, die von Asbest ausgehen, ist der Einsatz heute in vielen Staaten verboten. Um auch die eigene Gesundheit sicherzustellen, sind hohe Auflagen einzuhalten. „Es geht keine Gefahr aus, auch wenn mit Gefahrenstoffen gearbeitet wird“, hält Kruse fest.
Über 100.000-facher Zoom
Doch wie läuft die Arbeit von Kruse überhaupt ab? Ingenieurbüros führen bei Restaurierung oder Abriss alter Gebäudekomplexe eine sogenannte Schadstoffprüfung durch. Die Abfallverzeichnisverordnung gibt vor, wie dann weiter vorgegangen werden muss. Wenn die Proben Kruses Labor erreichen, nimmt er diese aus der Tüte und platziert sie in einen Tiegel (ein feuerfestes und chemisch resistentes Gefäß zum Erhitzen von Stoffen) und wiegt das Material ab. „In alten Baustoffen kann alles Mögliche drin sein“, führt er weiter aus. Dann wird im Ofen alles, was organisch ist, verbrannt (Veraschung): Die übrigen Fasern werden präpariert und kommen mit einem elektrisch leitfähigen Klebeetikett unter das REM. Asbest kommt vor allen in älteren PVC-Böden, Wänden (insbesondere im Putz), Fliesen- oder Plattenkleber vor. Kruse kann Asbetvorkommen im 0,01-stelligen Bereich nachweisen.
Ein eigens hergestelltes Filtersystem lässt die Luft bei der Probenentnahme nicht nach außen dringen. Der 80 Kilogramm schwere Sicherheitsschrank mit Chemikalien ist ebenfalls mit dem Abzug an der Lüftung angeschlossen. Alles, was unter das Mikroskop kommt, darf nicht ohne Handschuhe angefasst werden, da die Haut eine Fettschicht absondert. Unter dem Mikroskop können auch Probleme von Materialien eruiert oder Fehler rekonstruiert werden. „Je nach Fragestellung findet das REM sein eigenes Einsatzgebiet“, so Kruse. Ein weiteres Rasterelektronenmikroskop hat beispielsweise die Fachhochschule Dornbirn, die sich neben der Forschungs- und Lehrtätigkeit auf Metalluntersuchungen konzentriert. Kruses Mikroskop kann das Material über 100.000-fach vergrößern. Üblicherweise ist in seinen Arbeitsgebieten 1000- bis 10.000-fach gefordert. Kontrastreiche Materialien schaffen auch im 30- bis 40.000-fachen Bereich scharfe Bilder
Aus Neugierde hat Kruse auch schon Objekte aus der Natur unter das Mikroskop gelegt. „Interpretieren kann ich es nicht“, schmunzelt der Geologe. Darunter waren Löwenzahn, Ringelblumen oder Samenkapseln von Majoran. Im Mikrometer-Bereich werden so völlig neue analysierte Oberflächen der Objekte sichtbar. Das REM benötigt viele Minuten, um ein einzelnes Bild entwickeln zu lassen. Helligkeit und Kontrast müssen dabei schon im Vorhinein richtig justiert werden. TAY






