Michael Prock

Kommentar

Michael Prock

Das Spiel mit der Angst

Politik / 25.01.2016 • 22:39 Uhr

Angst ist ein schlechter Begleiter; als Durchsetzungsmittel für politische Vorhaben allerdings ein fabelhafter Weggefährte. Emotion schlägt Rationalität, Bauchgefühl schlägt Vernunft. Politische Akteure schüren – bewusst oder unbewusst – Ängste, um die Stimmung im Land in eine ihnen genehme Richtung zu lenken. Das Phänomen ist nicht neu, hat sich in den vergangenen 15 Jahren allerdings in den Machtzentren der Welt manifestiert.

Niccolò Machiavelli lebte an der Wende zwischen dem 15. und 16. Jahrhundert. Er setzte sich schon damals das Ziel, den Mächtigen die Propagandamaske abzureißen, und „die Kräfte aufzeigen, die ungerechte Sozial- und Staatsordnungen zusammenhalten: Täuschung und Gewalt auf der Seite der Mächtigen, Angst und Aberglaube bei den Unterdrückten”, schreibt sein Biograf. Das Rezept hat sich seither kaum geändert. Um aus Krisen Kapital zu schlagen, braucht es: A) ein Feindbild; B) scharfe Rhetorik; C) ständige Wiederholung. Aktuelle Beispiele gefällig?

Staatsschutz: Der Klassiker unter den furchtkonjunkturbedingten Gesetzen. Je größer die Angst, desto eher ist das Volk bereit, im Namen der Sicherheit eigene Rechte aufzugeben. Nach 9/11 rief Bush den „Krieg gegen den Terror“ aus, um kurz darauf Bürgerrechte zu beschneiden. Nach den Paris-Attentaten sprach halb Europa von einer Kriegserklärung, gefolgt vom Ruf nach mehr Sicherheit. Sprich: Überwachung. Diese Forderung wiederholten die Mächtigen täglich, auf allen Kanälen. Bis die Botschaft angekommen ist. Rechte, die zuvor noch außer Streit standen – Privatsphäre, Datenschutz, Anonymität, Anwalts- und Redaktionsgeheimnis – dürfen teils ohne hörbaren Protest geopfert werden.

Flüchtlinge: Hätte es vor zwei Jahren ein liberales Mitglied einer christlich-sozialen Partei gewagt, Grenzen für Asylwerber zu fordern? Faktisch wie wörtlich? Sozialleistungen für Flüchtlinge zu kürzen? Wohl kaum. Es folgten verschärfte Worte und Bilder, zum Beispiel jene eines überfüllten Traiskirchen. Das Wort Flüchtlingskrise war geboren, fortan war nicht die überforderte Politik, sondern der Flüchtling selbst die Krise. Von Flut war die Rede, von Welle. Und jetzt: Zaun hoch, Grenzen dicht. Und die Menschen fürchten sich noch mehr. Obwohl vergangenes Jahr circa so viele Menschen um Asyl angesucht haben, wie jedes Wochenende auf ein Spiel des FC Bayern München pilgern.

Politiker haben freilich kein Exklusivrecht auf Macht durch Angst. Im Gegenteil. Der Terrorismus selbst funktioniert nach diesem Schema: Erst die Angst vor den Schergen des Islamischen Staates macht diese erfolgreich. Übrigens: Europol warnte am Montag vor Anschlägen des IS in Europa. Vielleicht sollte der Verfassungsschutz die Telefonate aller Menschen abhören. Zur Sicherheit.

Je größer die Angst, desto eher ist das Volk bereit, im Namen der Sicherheit eigene Rechte aufzugeben.

michael.prock@vorarlbergernachrichten.at, 05572/501-633