“Eine biegsame Partei”

Politik / 01.05.2017 • 22:12 Uhr
Barbara Blaha sprach auf der Maifeier der Vorarlberger SPÖ über die Zukunft der Sozialdemokratie.  Fotos: VN/Paulitsch
Barbara Blaha sprach auf der Maifeier der Vorarlberger SPÖ über die Zukunft der Sozialdemokratie. Fotos: VN/Paulitsch

Die SPÖ-Mitglieder würden sich vieles gefallen lassen, aber nicht alles, sagt Blaha.

Bregenz. Die Vorarlberger SPÖ feierte mit 250 Mitgliedern in Bregenz den 1. Mai. Als Gastrednerin war Barbara Blaha eingeladen. Die ehemalige ÖH-Chefin verließ die Partei 2007 aus Protest. Mit den VN sprach sie über Demokratisierung, Michael Häupl und den SPÖ-Kriterienkatalog.

Der Titel Ihrer Rede lautet „Mut zur Veränderung“. Was muss sich in der SPÖ ändern?

Blaha: Es macht nur Spaß, sich in einem Verein zu engagieren, wenn jede Stimme gehört wird. Die SPÖ sollte glaubwürdige Schritte zur Demokratisierung setzen und sich anschauen, was andere sozialdemokratische Parteien schon lange tun.

Welche Schritte wären das?

Blaha: Der Bundesparteivorsitzende sollte direkt gewählt werden. Man könnte auch über Koalitionsabkommen abstimmen. Das würde die Verhandlungsposition massiv stärken.

Würde das die Kompromissfähigkeit bei Koalitionsverhandlungen nicht schmälern?

Blaha: Die Alternative sehen wir jetzt. Die SPÖ ist in einer Koalition, die Teile der Basis unglücklich macht, und Teile der Funktionärsschicht gehen brav mit. Wenn man sich die letzten Wahlergebnisse ansieht, war diese Strategie nicht erfolgreich.

Die SPÖ befragte ihre Mitglieder kürzlich über CETA … warum verdrehen Sie gerade die Augen?

Blaha: Es wurden nicht alle Mitglieder befragt und das Ergebnis war nicht bindend. Das ist ja ein Treppenwitz, wenn ich eine Befragung mache, ein Ergebnis habe und sage: „Ist mir egal.“

Christian Kern hat in der SPÖ ohne Basisabstimmung ein Feuer entfacht, das unter Werner Faymann erloschen war. Funktioniert es also auch so?

Blaha: Funktionieren ist zu wenig, das wird uns bei den Wahlen nicht retten. Kern hat die Energie zurückgebracht, weshalb die Mitglieder durchaus bereit waren, ein Stück weit mitzugehen, ohne zu wissen, wofür er inhaltlich steht.

Jetzt wissen sie es?

Blaha: Kern ist in den Mühen der Ebene angekommen. Bei seiner Antrittsrede sagte er, Willkommenskultur dürfe kein Schimpfwort werden. Mittlerweile befürwortet er Lager außerhalb der EU. Aber Christian Kern würde eine Abstimmung in der Partei sicher gewinnen.

Wie viele Schwenks erträgt die SPÖ?

Blaha: Sie ist jedenfalls unglaublich biegsam. Ich glaube, bei Rot-Blau auf Bundesebene würden nicht mehr alle mitmachen. Das würde zu einer Austrittswelle führen.

Derzeit arbeitet die SPÖ an einem Kriterienkatalog.

Blaha: Man leistet Vorarbeiten, damit die Mitglieder Rot-Blau nicht mehr so schlimm finden. Der Katalog ist ein Schritt in diese Richtung, eine Landeskoalition übrigens auch. Die Salamitaktik geht so lange, bis Rot-Blau im Bund ohne Aufschrei der Mitglieder möglich ist.

Wann haben Sie zuletzt die SPÖ gewählt?

Blaha: Bei der Landtagswahl in Wien 2015.

Wie sehen Sie die aktuelle Situation der Wiener Partei?

Blaha: Ach Gott … die Wiener SPÖ … Ich finde, Michael Häupl hat einen guten Job gemacht, und zwar eine beeindruckend lange Zeit. Die Nachfolgediskussion ist ihm entglitten, das hat er unterschätzt. Aber ich traue ihm zu, dass er sie noch löst, bevor er in Pension geht.

Sind 77 Prozent beim Parteitag ein Zeichen für eine funktio­nierende innerparteiliche Demokratie?

Blaha: Einerseits sagt man, wir brauchen Demokratie, aber wenn der Parteivorsitzende unter 90 Prozent hat, ist die Aufregung groß. Johanna Dohnal hat auf Parteitagen regelrechte „Streichkonzerte“ erlebt, weil sie zu etwas gestanden ist. Es zeigt, dass es in einer Partei Konflikte und Diskussionen gibt. Friedhofsruhe wäre viel schlimmer.

Rund 250 Besucher fanden am Montag den Weg zur Maifeier der SPÖ in Bregenz, die in einem Zelt am Hafen abgehalten wurde.
Rund 250 Besucher fanden am Montag den Weg zur Maifeier der SPÖ in Bregenz, die in einem Zelt am Hafen abgehalten wurde.
"Eine biegsame Partei"
"Eine biegsame Partei"
"Eine biegsame Partei"
"Eine biegsame Partei"
"Eine biegsame Partei"
"Eine biegsame Partei"
"Eine biegsame Partei"
"Eine biegsame Partei"
"Eine biegsame Partei"
"Eine biegsame Partei"
"Eine biegsame Partei"
"Eine biegsame Partei"

Zur Person

Barbara Blaha

ehemalige ÖH-Vorsitzende, derzeit Autorin, Gründerin des Politkongresses Momentum. Von 2006 bis 2010 im Publikumsrat des ORF. Legte ihre SPÖ-Mitgliedschaft 2007 wegen der Einführung der Studiengebühren nieder.

Geboren: 23. September 1983

Beruf: Programmleitung Brandstätter Verlag