Der Wahlkommission ganz genau auf die Finger geschaut

Der klare Sieger im Wahllokal Lindau- Bad Schachen: deutsche Gründlichkeit.
Lindau Die Dame tritt kurz vor Schließung des Wahllokals vor die Kommission: „Grüß Gott, ich möchte Wahlbeobachtung machen.“ Laut Gesetz darf sie das als Wählerin dieses Bezirkes. Warum sie es macht, verrät die 54-jährige Beate Schneberg den VN: „Ich weiß von Unkorrektheiten bei anderen Wahlen. Da gab es Manipulationen“, argumentiert die kritische Bundesbürgergerin gegenüber den VN. Sie schaut dem achtköpfigen Team der Wahlkommission beim Zuordnen und Auszählen der Wahlzettel genau auf die Finger, macht sich sogar Notizen.
Große Akribie
Die Mitglieder der Kommission kannten sich bis auf zwei Ausnahmen vor ihrem ehrenamtlichen Arbeitstag nicht. „Die freiwilligen Helfer werden willkürlich zusammengebracht und bilden die Kommissionen“, erklärt Wahlvorsteher Jörg Wartner. Er ist Angestellter der Stadt Lindau und wurde für diese Funktion bestimmt. Sein bunt zusammengemischtes Kollegium versteht sich bestens. Das von Wartner vorgeschlagene Prozedere für die Auszählung der Stimmen wird von allen akzeptiert. Sofort nach Wahlschluss um 18 Uhr werden Zweier-Teams bestimmt, die sich mit großer Akribie ihrer Tätigkeit widmen.
Selbst Beate Schneberg verliert allmählich ihr Misstrauen. „Ja, ich muss schon sagen: Das geht hier schon alles ganz ordentlich vonstatten“, nickt sie anerkennend. Es wird gezählt und gegengezählt, alles zwei Mal überprüft. Fast entschuldigend, aber zufrieden bemerkt Wahlvorsteher Jörg Wartner: „Demokratie dauert.“ Die Wahlhelfer sind so intensiv und gewissenhaft mit ihrer Arbeit beschäftigt, dass sie lange Zeit gar keine Zeit haben, sich für das Ergebnis im Bund und im Bundesland Bayern zu interessieren. Erst kurz vor halb sieben zückt eine Dame kurz das Smartphone und verkündet das Ergebnis der ersten bundesweiten Hochrechnung. Jetzt hält es auch David Graf, CSU-Chef von Lindau und ebenfalls Mitglied der Kommission, nicht mehr aus und checkt die Bayern-Zahlen. Er runzelt die Stirn, analysiert die Verluste für seine Partei. „Der Wähler hat uns Hausaufgaben mit auf den Weg
gegeben“, sagt der CSU-Funktionär, in seinem Hauptberuf Gymnasiallehrer für Französisch und Latein.
Der Standort des Wahllokals in Bad Schachen ist in einer Grundschule. Der Wahlbezirk liegt in einem bürgerlichen Viertel mit einer starken Prägung durch die Grünen. Die AFD spielt dort eine untergeordnete Rolle, die Beschaulichkeit der Gegend lässt offensichtlich keine heißblütigen Gefühle aufkommen.
David Graf freut sich auf den Feierabend. Bald fährt er nach Hause und schaut Wahl im Fernsehen.
