Großprojekte: Experte Bußjäger erklärt, wie sich das Urteil zur dritten Piste auswirkt

Welche Bedeutung die Gerichtsentscheidung und das Standortgesetz für künftige Verfahren haben.
wien Bis Großprojekte auf Schiene sind, kann es mitunter Jahre dauern. Der rund 250 Millionen Euro teure Stadttunnel in Feldkirch ist ein Paradebeispiel. Das Ringen um eine Verkehrslösung für die Stadt reicht rund 30 Jahre zurück. 2015 wurde die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) in erster Instanz abgeschlossen, Gegner des Projekts reichten Beschwerde ein. Die Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht in Wien wurde im Februar abgeschlossen, das schriftliche Urteil steht aber noch aus.
Ein anderes prominentes Beispiel ist die dritte Piste am Flughafen Wien. Die UVP gilt als eine der längsten überhaupt in Österreich. Erst im März lehnte der Verwaltungsgerichtshof als letzte Instanz Einsprüche von Umweltschützern, Bürgerinitiativen und Anrainern als unbegründet ab. Vor zwei Jahren hatte das Bundesverwaltungsgericht noch für Schlagzeilen gesorgt, als es den Bau unter anderem mit Verweis auf die negativen Folgen des Klimawandels untersagte. Nach einem Einwand des Verfassungsgerichtshofs musste es diese Entscheidung revidieren. Nun steht fest: Die dritte Piste darf gebaut werden.
Sonderfall dritte Piste
Könnte das Urteil möglicherweise Signalwirkung für zukünftige Entscheidungen zu Großprojekten haben? Der Verfassungsjurist Peter Bußjäger von der Universität Innsbruck glaubt das nicht. Es war für ihn jedenfalls keine Überraschung: “Nachdem der Verfassungsgerichtshof das Klimaschutzargument des Bundesverwaltungsgerichts weggewischt hat, war die Sache klar. Da gab es nicht mehr viel Spielraum”, meint Bußjäger. Die dritte Piste sei allein schon wegen der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts 2017 ein spezielles Beispiel, es lasse sich nicht so einfach mit anderen Großprojekten vergleichen. Doch gerade das Hin und Her um die dritte Piste war für die schwarz-blaue Bundesregierung Anlass für das Standortentwicklungsgesetz. Die neue Regelung soll sicherstellen, dass zukünftige UVP kürzer ausfallen. Wird beispielsweise beim Speichersee Schwarzköpfle tatsächlich eine UVP nötig, fällt sie unter die neue Regelung. Laut Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) bringt sie Klarheit und Rechtssicherheit für alle Betroffenen. Kritiker wie SPÖ oder Liste Jetzt oder Umweltorganisationen befürchten hingegen, dass damit Wirtschaftsinteressen klar der Vorrang eingeräumt wird.
Gernot Stöglehner, Leiter des Instituts für Raumplanung, Umweltplanung und Bodenordnung an der Universität für Bodenkultur Wien, teilt diese Bedenken. „Der Genehmigungsweg wird formal gesehen kürzer. Umweltabwägungen können dadurch tendenziell weniger intensiv durchführt werden.” Derzeit bestehe die Gewissheit, dass ordentlich geprüft werde, dass eine Prüfung eben ihre Zeit braucht. “Wenn diese Zeit verkürzt wird, könnten Konflikte rund um die Großverfahren schärfer ausgetragen werden. Der Widerstand könnte größer werden.“ Außerdem: Um ein Projekt abzulehnen, müsse die UVP-Behörde in zwölf Monaten nachweisen, dass es unbehebbare Mängel aufweist. Nicht nur, dass die Zeitspanne dafür sehr knapp bemessen sei. “Es zeigt, dass man im Normalfall von einer Genehmigung ausgeht.”
Standortentwicklungsgesetz
Nach den Bestimmungen des neuen Standortentwicklungsgesetzes soll künftig spätestens nach 18 Monaten Klarheit über standortrelevante Großprojekte herrschen: Sechs Monate nachdem ein Projekt beim Wirtschaftsministerium gemeldet wurde, steht fest, ob es von öffentlichem Interesse ist. Darüber berät ein sechsköpfiger Beirat. Die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) muss danach in zwölf Monaten abgeschlossen sein. Daraufhin ist eine Entscheidung fällig. Der weitere Instanzenzug ist möglich.