Der Kanzlersessel wackelt

Politik / 23.05.2019 • 22:00 Uhr
Der Kanzlersessel wackelt
Kanzler Kurz traf sich am Donnerstag mit Oppositionsvertretern zum Gespräch. Ob sie ihm das Misstrauen aussprechen, bleibt offen. APA

Kurz macht der Opposition ein Angebot. Überzeugt hat er sie damit nicht.

Wien Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zittert um sein Amt. Am Montag entscheiden die Abgeordneten im Nationalrat, ob sie ihm das Vertrauen entziehen. Wäre das der Fall, ist Kurz kürzer Kanzler gewesen als sein Vorgänger Christian Kern (SPÖ). Der Bundespräsident müsste ihn rasch des Amtes entheben und einen Nachfolger bestimmen. 

Mittlerweile führt Kurz eine Minderheitsregierung, die aus sieben ÖVP-Ministern, einer parteifreien Außenministerin und vier Experten besteht. Letztere wurden am Mittwoch angelobt und ihre Kabinette zugleich mit ÖVP-nahem Personal aus Klub, Wirtschaftsressort und Kanzleramt besetzt. Die Oppositionsparteien sahen sich von dieser Vorgehensweise provoziert. Kurz verteidigte sich. Es sei ihm nur um die bestmögliche Unterstützung der neuen Ressortchefs gegangen.

Es herrscht Eiszeit zwischen dem Kanzler und der Opposition. Allein die Neos wollen Kurz kein Misstrauen aussprechen, aus staatspolitischer Räson. Jetzt-Mandatar Peter Pilz will hingegen alles dafür zu tun, dass Kurz Kanzler war: “Er muss weg, ansonsten machen wir uns in der ganzen Welt zur Lachnummer”, erklärt Pilz den VN. FPÖ und SPÖ legen sich noch nicht in dieser Klarheit fest. Wie in den Klubs zu hören ist, tendieren die Abgeordneten der Parteien aber eher dazu, dem Misstrauensantrag zuzustimmen.

Kurz versucht das noch abzuwenden. Am Donnerstag lud er alle Parteichefs zu sich, die, außer den Neos, alle eine Vertretung schickten. Für die SPÖ kam der stellvertretende Klubchef Jörg Leichtfried, da Parteiobfrau Pamela Rendi-Wagner bereits zwei “substanzlose Scheingespräche” geführt habe. Das erneute Treffen hat die SPÖ ebenso nicht überzeugt. Die Ausgangslage für die Abstimmung am Montag bleibe gleich.

Kurz verspricht Zugeständnisse. So werde es bis zur Neuwahl keine Ausschreibungen zu personellen Besetzungen in den Ministerien geben, außer diese seien dringend nötig. Die Regierung werde keine Gesetzesinitiativen einbringen. Verordnungen oder Erlässe würden nur bei Gefahr in Verzug ergehen. Ab sofort gebe es keine werbliche Informationen mehr zur Regierungsarbeit. Zudem dürften in Zukunft alle Klubobleute an den Ministerräten teilnehmen. Auch will Kurz für die vollständige Aufklärung der Ibiza-Affäre sorgen.

SPÖ-Mandatar Leichtfried reagiert irritiert: Was Kurz verspreche, seien keine Zugeständnisse, sondern Selbstverständlichkeiten. An der Gesamtsituation ändere sich nichts: “Kurz steht einer ÖVP-Alleinregierung vor und verzichtet weiterhin darauf, für eine Mehrheit im Parlament zu werben.” Diese wackelt, wie auch die Reaktion von FPÖ-Klubobmann Walter Rosenkranz zeigt. Was Kurz präsentiert habe, seien höfliche Maßnahmen gewesen, Maßnahmen des Respekts, sagt er. Doch auch sie ändern am Donnerstag an der einen großen Fragen nichts: nämlich ob der Kanzler Kanzler bleibt.