Zeugnisvergabe für Spitzenpolitiker

Zahlreiche SPÖ-Minister konnten in der Krise punkten. Vor allem Experten konnten das Vertrauen der Österreicher gewinnen.
Wien Am Montag startet für Vorarlbergs Kinder und Jugendliche das neue Schuljahr. Für Österreichs Spitzenpolitiker gab es jedoch schon am Freitag eine Zeugnisvergabe. Der neue APA/OGM-Vertrauensindex gibt einen Hinweis darauf, wie die schwarz-rot-pinke Bundesregierung, die seit 3. März in einer Dreierkonstellation arbeitet, bei der Bevölkerung abschneidet. Für den Index wurden 1062 Österreicherinnen und Österreicher Ende August/Anfang September befragt.

Punkten mit Expertenstatus
Erfreulich ist das Ergebnis für Finanzminister Markus Marterbauer (SPÖ): Er kommt hinter Bundespräsident Alexander Van der Bellen und der dritten Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) auf Platz 3. Damit ist er jenes Regierungsmitglied, das das meiste Vertrauen genießt.
Der 60-jährige Nationalökonom war bereits als Vizepräsident des Fiskalrates und Chefökonom der Arbeiterkammer öffentlich bekannt. “Ein Expertenstatus bedeutet auch eine gewisse Überparteilichkeit”, sagt Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle den „VN“. Das gelte auch für Justizministerin Anna Sporrer (SPÖ): “Auch ihr Schwerpunkt liegt auf sachpolitischer, nicht parteipolitischer Argumentation”, sagt Stainer-Hämmerle.
Neos stürzen ab
Einen kollektiven Absturz erleben die drei Kabinettsmitglieder der Neos – allen voran Staatssekretär Josef Schellhorn auf minus 20 Prozent. Er verlor gegenüber April 25 Prozentpunkte. Er habe “Aufmerksamkeit erregt, aber nicht unbedingt Vertrauen”, fasst Stainer-Hämmerle zusammen. Diskussionen um seinen teuren Dienstwagen oder unpassende NS-Vergleiche sorgten für Schlagzeilen. Auch Beate Meinl-Reisinger büßte 10 Prozentpunkte ein und liegt nun bei minus 6. “Sie muss sich klarer positionieren. Die Frage ist, wie glaubwürdig man ist, wenn man zu allem etwas sagen muss – von Außen- bis Wirtschaftspolitik. Stichwort: umgekehrte Expertenrolle”, erklärt Stainer-Hämmerle.
Besser schnitt Kanzler Christian Stocker (ÖVP) ab – am besten unter den Parteichefs. “Dafür, dass er trotz aller Versprechen mit Herbert Kickl verhandelte, scheiterte und dann mit einer Dreierkoalition zurückkam, ist das ein erstaunlich guter Wert”, sagt die Politologin. SPÖ-Chef Andreas Babler fiel um vier Punkte auf minus 23 und liegt damit einen Punkt vor Grünen-Chefin Leonore Gewessler.
Kickl trotz Plus Schlusslicht
Letzter bleibt FPÖ-Chef Herbert Kickl – trotz eines Zuwachses von fünf Punkten. Sein Saldo: minus 38. Kathrin Stainer-Hämmerle vermutet, das liege an seiner Zurückhaltung im Sommer: “Das ist ein bekanntes Phänomen. Politiker, die nicht zu oft in der Öffentlichkeit auftreten, gewinnen mitunter an Vertrauen.” Man müsste daher die Ergebnisse mit dem Bekanntheitsgrad spiegeln: “Je bekannter, desto polarisierter ist oft die Meinung zu einer Person.” Das relativiere gute wie schlechte Werte.
Interessant sei der Blick auf die Nationalratspräsidenten, die eigentlich stets Vertrauen genossen. “Zwei Ausnahmen: Wolfgang Sobotka, der in U-Ausschüssen stark parteipolitisch agierte, und nun Walter Rosenkranz”, sagt Stainer-Hämmerle. Bei ihm entstehe nicht der Eindruck, dass er die Rolle eines überparteilichen Parlamentspräsidenten erfülle. Hinzu kämen umstrittene Ordnungsrufe sowie die Affäre um seinen ehemaligen Büroleiter und dessen mutmaßliche rechtsextreme Verbindungen.