Licht aus im Atomkraftwerk Mühleberg

Erstes Schweizer AKW ist außer Betrieb. Der Rückbau wird erst in 15 Jahren abgeschlossen sein.
Bern Der Schweizer Ausstieg aus der Atomenergie ist zwar etwas näher gerückt, aber dennoch in weiter Ferne. Zumindest ein erster Schritt ist seit Freitag getan, als die Betreiberfirma BKW das Atomkraftwerk Mühleberg westlich der Hauptstadt Bern endgültig abgeschaltet hat. Um 12.30 Uhr besiegelte ein Operator im Kommandoraum das Ende des AKW. Es war 47 Jahre in Betrieb.
Neubau seit 2018 verboten
Die Schweizer hatten sich im Mai 2017 mit großer Mehrheit (58,2 Prozent) für den Atomausstieg und eine stärkere Förderung erneuerbarer Energien ausgesprochen. Der Bau neuer Atomkraftwerke ist in der Schweiz seit dem Vorjahr verboten, die vier noch bestehenden Kraftwerke sollen am Netz bleiben, solange sie von der Aufsichtsbehörde als sicher eingestuft werden.
Eine Studie der Schweizerischen Energie-Stiftung deutet aber darauf hin, dass die Schweizer noch etwas Geduld haben müssen: Im Fall von Mühleberg passte beim Stilllegungsentscheid des Schweizer Energiekonzerns BKW AG 2013 alles zusammen. Vor allem erwies sich die Abschaltung als kostengünstigere Variante im Vergleich zum Weiterbetrieb. Bei den anderen Schweizer AKW (Beznau, Leinstadt und Gösgen) sei das nicht der Fall, stellten die Autoren der Studie fest. Bei diesen seien die betriebswirtschaftlichen Anreize so, dass es sich lohne, die Stilllegung hinauszuzögern.
Jahrelange Vorbereitung
Die Abschaltung eines Atomkraftwerks kann nicht von heute auf morgen erfolgen. In den vergangenen Jahren wurde sie eingehend geplant und im Sommer 2018 der Kern für den letzten, 15-monatigen Betriebszyklus mit Brennelementen beladen. Dabei wurde die Brennstoffmenge so berechnet, dass sich die Leistung des AKW seit Mitte November langsam reduzierte.
Freitagfrüh begann der Energiekonzern BKW dann sein Atomkraftwerk Schritt für Schritt herunterzufahren, indem Steuerstäbe zwischen die Brennstoffelemente mit Uran eingeführt wurden. Als um 12.30 Uhr zwei rote Knöpfe betätigt wurden, fuhr der letzte Stab zwischen die Brennelemente. Damit wurde die Kettenreaktion unterbunden und der Reaktor abgeschaltet. Der Vorgang dauerte drei Sekunden. Bis 22. Dezember soll das Herunterfahren endgültig abgeschlossen sein.
Anfang 2020 beginnt dann der Rückbau des AKW. Erst 2030 wird das Areal frei von radioaktivem Material sein und erst 2034 wird in Mühleberg wieder eine grüne Wiese stehen. Dann ist eine Fläche von elf Fußballfeldern bereit für eine neue Nutzung.
Der Bau des Atomkraftwerks unterhalb des Wohlensees begann im Jahr 1967. Der kommerzielle Betrieb wurde am 6. November 1972 aufgenommen. Seither produzierte die Anlage unterhalb des Wohlensees rund 130 Milliarden Kilowattstunden Strom, wie die BKW am Freitag mitteilte. Gesamtschweizerisch trug Mühleberg mit fünf Prozent zur Stromproduktion bei.
Nachglühfest am Abend
Anlass zum Feiern sah unter anderem die Schweizer Organisation “Nie wieder Atomkraft”. Sie lud gemeinsam mit anderen Naturschutzorganisationen sowie linken und grünen Parteien am Abend zu einem Nachglühfest ein. Als historisch beurteilte die Schweizer Energieministerin Simonetta Sommaruga den gestrigen Tag: “Die Zukunft gehört der einheimischen, sauberen Energie aus Wasser und Sonne.”
Enttäuschung herrschte hingegen bei der Swissnuclear, dem Branchenverband der Schweizer Kernkraftwerksbetreiber. Das AKW Mühleberg habe praktisch störungsfrei Strom erzeugt. Der jetzt benötigte Importstrom werde kaum so klimafreundlich sein.