Armutsgefährdung wächst

Politik / 23.05.2020 • 19:00 Uhr
Armutsgefährdung wächst
Ein Freiwilliger der Tafel Essen bei der Verteilung von Nahrungsmitteln. APA

Bei Alleinerzieherinnen, Großfamilien und Arbeitslosen ist das Problem am größten.

SCHWARZACH Rund 70.000 Vorarlbergerinnen und Vorarlberger sind armutsgefährdet. In Folge der Coronakrise wird das Problem noch größer. Das Land spürt das durch eine steigende Nachfrage bei der Mindestsicherung. Kein Wunder: Es gibt viel mehr Arbeitslose und damit auch Menschen, die weniger Geld zur Verfügung haben.

Von einer Arbeitsgefährdung spricht man, wenn ein allein lebender Erwachsener auf maximal 1259 Euro im Monat kommt. Bei Alleinerziehenden mit einem Kind beträgt die Schwelle 1636 Euro, bei einer dreiköpfigen Familie mit einem Bub oder Mädchen 2266 Euro und so weiter und so fort (siehe Grafik). 2018 waren laut Statistik Austria 69.000 Menschen im Land davon betroffen. Das entspricht gut einem Fünftel der Bevölkerung.

Laut Michael Diettrich, dem Sprecher der Armutskonferenz, sind vor allem vier Gruppen armutsgefährdet: Alleinerzieherinnen, Familien mit mehreren Kindern („je mehr, desto eher“), Frauen und Männer mit niedrigen Einkommen sowie Arbeitslose. In der Krise sieht Caritas-Direktor Walter Schmolly hier wiederum vor allem Jugendliche gefährdet: „Keine Gruppe ist von der Corona-Arbeitslosigkeit so stark betroffen wie die Jugendlichen. Es gibt Prognosen, die davon ausgehen, dass sich die Jugendarbeitslosigkeit verdoppeln wird.“ Durch Corona könnten diese Leute den Anschluss verlieren.

Was tun? „Es braucht erstens einen Sondertopf für nachhaltige Akuthilfe in coronabedingten sozialen Härtefällen“, so Schmolly. Außerdem wären Investitionsprogramme nötig, die helfen, Arbeitsplätze zu sichern und zu schaffen.

Allen Armutsgefährdeten ist damit aber noch nicht geholfen; vor allem nicht dauerhaft. Alleinerzieherinnen brauchen etwa ganztägige Betreuungsangebote für ihre Kinder, um auch entsprechend arbeiten und Geld verdienen zu können. Zudem wären in vielen Fällen Qualifizierungsprogramme gefragt, wie Michael Diettrich betont: „Gerade in Gastronomie und Tourismus könnte es für viele Beschäftige möglicherweise kein Zurück mehr geben.“ Sie müssten finanziell unterstützt werden, damit sie einen Bildungsabschluss nachholen oder einen anderen Beruf erlernen können. Nachsatz: „Programme dazu sind ohnehin überfällig, dazu ist schon in der Vergangenheit zu wenig unternommen worden.“

Auch die Caritas sieht sich aufgrund wachsender Armutsgefährdung gefordert. Zum Beispiel über die Beratungsstellen „Existenz und Wohnen“, wie Schmolly gegenüber den VN ausführt: „Wir stellen uns darauf ein, dass heuer aufgrund der Coronakrise 500 Familien eine intensivere Begleitung und größere Unterstützung benötigen werden. Diese Notlagen werden sich teils erst zeitverzögert zeigen, wenn die wenigen Rücklagen aufgebraucht sind und die Stundungen fällig werden und sich dann ein Problemberg aufgetürmt hat, der allein nicht mehr bewältigt werden kann.“ Je früher jemand Beratung und Unterstützung in Anspruch nehme, desto leichter könne geholfen werden.

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