Frauenbilder
Die Wortwahl des Tiroler Landesrates war eindeutig. Als „widerwärtiges Luder“ bezeichnete Josef Geisler eine Vertreterin des WWF bei der Entgegennahme einer Petition. Es war kaum hörbar, aber dennoch in der Öffentlichkeit erfolgt und auf Video festgehalten. Gerichtet waren Geislers Worte an seine grüne Regierungskollegin. Dass Ingrid Felipe mit keiner Wimper zuckte, kann zweierlei bedeuten: Sie hat – wie sie behauptet –Geisler nicht gehört oder sie ist derartige Einwürfe bereits gewohnt. Denn die Szene bietet einen Einblick sowohl in den Umgangston in der Politik als auch in die Gedankenwelt mancher Spitzenvertreter.
Männer erklären
Dazu passt der vorangestellte Satz Geislers: „Siehst, die lässt mich gar nicht reinreden.“ Eine Frau, die sich nicht unterbrechen lässt, empfindet der Landesrat also als Luder. Dafür prägte Rebecca Solnit 2008 den Begriff Mansplaining. Er beschreibt das Verhalten von Männern, die selbstverständlich davon ausgehen, mehr zu wissen als ihr weiblicher Gesprächspartner. Der Landesrat will „reinreden“ in der Annahme, dass ihm eine WWF-Vertreterin nichts Neues über Gewässerschutz zu sagen hat.
Viel scheint Geisler nicht gelernt zu haben über Augenhöhe und Respekt.
Das kann man als sexistisch oder nur respektlos sehen. Genauso geringschätzend ist es, dass in vielen Medien die Frau keinen Namen erhält. Sie wird als Aktivistin statt Expertin oder einfach als junge Frau bezeichnet. Selbst Geisler meinte nach dem persönlichen Treffen: „Ich habe mich bei der Dame entschuldigt.“ Viel scheint er nicht gelernt zu haben über Augenhöhe und Respekt. Marianne Götsch bleibt zurecht hartnäckig. Als Frau und als Vertreterin einer der größten und ältesten Umweltschutzorganisationen weltweit. Damit legt sie neben dem bedenklichen Frauenbild eine zweite Schwachstelle frei: demokratiepolitisch gefährliche Beratungsresistenz.
Emanzen oder Luder
Frauen in der Öffentlichkeit, die sich nicht unterbrechen lassen, werden seltener als Luder, aber oft als Emanzen beschimpft. Emanzipation bedeutet zwar nichts anderes als das gern beschworene Ziel der Gleichstellung, doch selbst Frauenministerin Raab will nicht als Emanze gelten. Ein Sieg auf allen Linien für die Gleichstellungsgegner. Niemand handelt solidarisch mit einer Gruppe, deren Name zum Schimpfwort umgedeutet wurde.
Und dann gibt es noch Frauen, die aus anderen Gründen im öffentlichen Interesse stehen: Verführerinnen, Venusfallen. Frauen wie die biblische Eva oder mittelalterliche Hexen, die Männer ins Verderben stürzen. So wie die falsche Oligarchennichte, die „schoarfe Braut“ von Ibiza. Ihr Bild wurde zur Fahndung veröffentlicht, obwohl ihr Vergehen noch nicht klar ist. Das Herzeigen eines gefälschten Passes in Kopie rechtfertigt dieses Vorgehen jedenfalls nicht. Ein hartnäckiges Frauenbild offenbar schon.
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