Fukushima als Sinnbild der nuklearen Gefahr

Vor zehn Jahren traf die Katastrophe Japan mit voller Wucht und führte auch in der EU zu einem Umdenken.
Wien Die Katastrophe traf Japan mit voller Wucht. Nach einem schweren Erdbeben überrollte ein Tsunami am 11. März 2011 die Ostküste des Inselstaates, wodurch insgesamt 18.500 Menschen starben. Im Atomkraftwerk Fukushima Daiichi kam es zur Kernschmelze. Wegen der radioaktiven Strahlung mussten 160.000 Anwohner fliehen. Es handelte sich um die schlimmste Atomkatastrophe seit dem Unfall im ukrainischen AKW Tschernobyl 1986. Heute jährt sie sich zum zehnten Mal.
Die Erde im Nordosten Japans ist seit damals nicht zur Ruhe gekommen. Wie die Zeitung „Nihon Keiza Shimbun“ berichtete, hat es seit dem schweren Beben vom März 2011 mehr als 14.000 für den Menschen spürbare Nachbeben gegeben. Anfang Februar kam es zu einer der schwersten Erschütterungen mit einer Stärke von 7,3 vor der Küste Fukushimas und Miyagis: Mindestens 150 Menschen wurden verletzt.
“Vorarlberg gegen Atomkraft”
Fukushima hat sich neben Tschernobyl weltweit als Sinnbild der nuklearen Gefahr ins kollektive Gedächtnis eingebrannt. In Deutschland verkündete Kanzlerin Angela Merkel den Atomausstieg. In der Schweiz setzte ebenso ein Umdenken ein. Italien sagte seinen geplanten Wiedereinstieg in die Atomkraft ab.

Auch im traditionell atomkritischen Vorarlberg war das Entsetzen groß. Unter dem Eindruck der Reaktorkatastrophe unterschrieben 87.420 Menschen die VN-Aktion „Vorarlberg gegen Atomkraft“. Gefordert wurde ein Aus für alte Hochrisikoreaktoren in Europa, der Ausstieg aller europäischen Länder aus der Atomkraft und die verstärkte Nutzung erneuerbarer Energien. Der frühere VN-Chefredakteur Christian Ortner und der damalige Landeshauptmann Herbert Sausgruber übergaben Bundeskanzler Werner Faymann und seinem Umweltminister Nikolaus Berlakovich das Votum.
Immer wieder Zwist in der EU
In der Europäischen Union hat sich Österreich nicht erst seit Fukushima als größter Widersacher der Atomkraft erwiesen. Das zeigte sich schon vor der EU-Erweiterung, als der Bau des tschechischen AKW in Temelin die Beziehungen mit Prag verschlechterte. Um den Beitrittsprozess nicht zu gefährden, kam es zur Einigung auf den sogenannten Melker Prozess, der Probleme rund um das Kraftwerk lösen sollte. Generell äußerte Österreich immer wieder Protest an den Sicherheitsstandards von AKW in der Nachbarschaft. Nach Fukushima griff die EU die österreichische Forderung nach europaweiten “Stresstests” für Atomkraftwerke auf. Dem 2012 vorgelegten Bericht der Europäischen hochrangigen Gruppe für Nuklearsicherheit und Abfallentsorgung stimmte Österreich dann aber als einziges Land nicht zu. Es enthielt sich mit der Begründung, im Bericht fehle eine Bewertung der AKW, ihrer Mängel und Probleme. Außerdem sei der Zeitplan für die Überprüfung zu kurz.
2015 reichte die rot-schwarze Bundesregierung unter Faymann außerdem eine Klage vor dem EU-Gerichtshof gegen Staatsbeihilfen für das geplante britische Atomkraftwerk Hinkley Point ein. Die Genehmigung der Kommission für die Beihilfen müsse für nichtig erklärt werden. Der EuGH wies die Klage 2020 aber endgültig ab.
Zankapfel Euratom
Ein Zankapfel bleibt Euratom. Rechtlich gesehen handelt es sich um eine eigene internationale Organisation neben der EU, wird jedoch von den gleichen Institutionen verwaltet. Zu den Aufgaben der Euratom gehören die Entwicklung der Atomindustrie und die Förderung der friedlichen kerntechnischen Forschung. Mehrfach blockierte Österreich das Euratom-Forschungsprogramm. Ein Volksbegehren zum Ausstieg erzielte im vergangenen Jahr 100.482 Unterschriften.
Japans Weg ist unklar
In Japan sind mittlerweile nur wenige der 33 betriebsbereiten Reaktoren eingeschaltet. Nach der Katastrophe in Fukushima wurden alle vom Netz genommen und überprüft. Sollten sie wieder ans Netz, mussten die Betreiber zuerst strenge Wiederinbetriebnahme-Verfahren durchlaufen. Wie es weitergeht, ist unklar, berichtet Sicherheitsexperte Nikolaus Müllner, der am Institut für Sicherheits- und Risikowissenschaften der Universität für Bodenkultur in Wien arbeitet. Unklar ist auch, wie groß die Strahlenbelastung im Katastrophengebiet ist. Die Berichte seien widersprüchlich, sagt Müllner. Einerseits würden die Menschen aufgefordert wieder zurückzukehren, andererseits habe Greenpeace erst kürzlich erklärt, dass die Strahlenbelastung noch zu hoch dafür sei.
Laut Bericht des UN-Strahlenschutzkomitees (UNSCEAR) sind Strahlenschäden durch den AKW-Unfall statistisch nicht belegbar. Im Vergleich zu Tschernobyl seien in Fukushima weit weniger radioaktive Stoffe freigesetzt worden und größtenteils im Meer niedergegangen. Außerdem habe die Bevölkerung weniger verseuchte Lebensmittel zu sich genommen. Die UNSCEAR betont allerdings, dass der Bericht nicht aussage, dass auf Grund des Unfalls gar kein Krebsrisiko besteht. VN-EBI, RAM