Der Unentschlossene

Neuer Präsident Raisi vor fast unlösbaren Aufgaben.
teheran Vergeblich wartete am Sonntag in Wien das Gremium zur Neuverhandlung des Atomabkommens von 2015 auf grünes Licht aus dem Iran. Dort war eben am 18. Juni der erzislamische Höchstrichter Ebrahim Raisi zum Präsidenten gewählt worden. Sein Regierungsprogramm wollte er gleich darlegen. Er verschob die angekündigte Pressekonferenz jedoch auf heute, Montag.
Seine absolute Mehrheit von über 62 Prozent der Stimmen war durch den Ausschluss aller auch nur halbwegs aussichtsreichen Gegenkandidaten so gut wie sicher. Raisi hätte also genug Zeit gehabt, sich auf seine Aufgabe vorzubereiten. Wenn er sich jetzt dennoch unschlüssig zeigt, hängt das nicht nur mit der fehlenden politischen Erfahrung des von Bluturteilen belasteten Apparatschiks aus Irans schiitischer Klerisei zusammen. Er steht nun vor der fast unlösbaren Aufgabe, seine radikal-islamische Position an die Notwendigkeit einer Zusammenarbeit mit den „teuflischen“ Weltmächten für ein erneuertes Atomabkommen und damit ein Ende der Sanktionen anzupassen.
Für eine solche Quadratur des Kreises hat Raisi offenbar auch nach seiner Wahl noch kein Rezept gefunden. So verrät er Unentschlossenheit. Kein gutes Omen für den Mann, der ab August die Islamische Republik regieren soll. Raisi kann seine Zusagen für weniger Inflation, Arbeitslosigkeit und damit Verarmung aber nur realisieren, wenn er sich bei allen anti-israelischen und US-feindlichen Parolen mit dem Westen arrangiert. Das Stimmvolk wollte ihm das nicht zutrauen. Weniger als die Hälfte der Wahlberechtigten hat sich desinteressiert gezeigt und ist gar nicht zu den Urnen gegangen. Weitere vier Millionen haben leere Stimmzettel eingeworfen, worin sich ihr aktiver Widerstand gegen das islamistische Regime manifestierte. Neue Unruhen sind in der iranischen Republik nun vorprogrammiert. Der scheidende Reformpräsident Hassan Rohani hat jedenfalls „dem iranischen Volk“ und nicht seinem Nachfolger gratuliert.