Politische Verantwortung offen

Politik / 22.06.2021 • 22:42 Uhr
Union und Opposition sehen vor allem Finanzminister Olaf Scholz in der Pflicht. Die Sozialdemokraten sprechen von „Wahlkampfgetöse“. AP
Union und Opposition sehen vor allem Finanzminister Olaf Scholz in der Pflicht. Die Sozialdemokraten sprechen von „Wahlkampfgetöse“. AP

Wirecard-U-Ausschuss in Deutschland: Abschlussbericht liegt vor.

berlin Über 100 Zeugen, tausende Seiten Beweismaterial und ein dicker Abschlussbericht: Der Wirecard-Untersuchungsausschuss im deutschen Bundestag hat ein Jahr nach Bekanntwerden des Bilanzskandals das Ergebnis seiner Arbeit präsentiert. Die Frage nach der politischen Verantwortung sparte der Bericht aus – Opposition und Union sehen jedoch neben einem Versagen von Finanzaufsicht und Wirtschaftsprüfern vor allem Finanzminister Olaf Scholz (SPD) in der Pflicht, die SPD sieht Scholz entlastet.

Der Zahlungsdienstleister Wirecard war fulminant aufgestiegen und hatte sogar die traditionsreiche Commerzbank aus dem DAX gekegelt. Das Unternehmen soll jedoch über Jahre systematisch seine Bilanzen gefälscht haben. Als das aufflog, musste Wirecard Ende Juni 2020 Insolvenz anmelden. Der einstige Konzernchef, der Österreicher Markus Braun, muss sich wegen Betrugs verantworten. Ex-Vorstand Jan Marsalek, ebenfalls ein Österreicher, befindet sich auf der Flucht. Der Untersuchungsausschuss arbeitete monatelang die Vorkommnisse rund um den einstigen Dax-Konzern auf. Dabei stellten die Fraktionen vor allem ein Versagen der Wirtschaftsprüfer und der Finanzaufsicht fest.

Bei der Frage der politischen Verantwortung gingen die Meinungen auseinander. Diese liege bei Scholz, sagte der Obmann der Unionsfraktion im Ausschuss, Matthias Hauer (CDU). Der Minister hätte den für die Finanzaufsichtsbehörde BaFin zuständigen Staatssekretär Jörg Kukies“freistellen sollen.“ Er nannte den Skandal ein „multiples Aufsichtsversagen unter den Augen des Finanzministeriums“. Auch die für Wirecard zuständige Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY kritisierte die Union heftig. Hans Michelbach (CSU), stellvertretender Vorsitzender im Ausschuss, sagte, der Abschlussbericht sei „kein Freispruch“ für Scholz – die Frage nach der politischen Verantwortung bleibe darin aber ausgespart. „Das ist das bedauerliche Ergebnis unserer Koalition“ mit der SPD. FDP-Obmann Florian Toncar sagte mit Blick auf die deutsche Bundestagswahl im Herbst, der Fall Wirecard beschädige Scholz‘ politisches Ansehen „stärker als er zugibt“. Auch der Obmann der Linken im Ausschuss, Fabio de Masi, wurde deutlich: Der Fall Wirecard „klebt wie Pech und Schwefel“ an dem Kanzlerkandidaten und Minister. Die AfD forderte Scholz‘ Rücktritt.

Die SPD hingegen sprach von „Wahlkampfgetöse“ und betonte, konkrete Vorwürfe lägen nicht vor. Das Thema des „kriminellen Handelns“ einer „Bande“ sei dafür zu sehr in den Hintergrund gerückt, beklagte SPD-Obmann Jens Zimmermann. Auch die Staatsanwaltschaft in München habe „immer wieder Hinweise erhalten“, aber nie einen Anfangsverdacht gegen Wirecard gesehen. Zudem hätten die Wirtschaftsprüfer „massiv versagt“, kritisierte die SPD. Hier liege gar der „Kern des Wirecard-Skandals“, sagte das SPD-Ausschussmitglied Cansel Kiziltepe.