“Epidemie der Ungeimpften”

Politik / 07.09.2021 • 17:55 Uhr
<p class="caption">Die Bedeutung der Impfung zeigt ein Blick in die Spitäler: Der Großteil der dort behandelten Covid-Patienten ist ungeimpft. <span class="copyright">APA</span></p>

Die Bedeutung der Impfung zeigt ein Blick in die Spitäler: Der Großteil der dort behandelten Covid-Patienten ist ungeimpft. APA

Ohne schärfere Maßnahmen und höherer Impfquote könnte sich laut Gesundheitsexperte Armin Fidler am Ende nur noch die Frage stellen: Lockdown oder 1G?

Wien Es ist eine Epidemie der Ungeimpften. „Wir müssen gar nicht darüber diskutieren“, sagt Gesundheitsexperte Armin Fidler. Der Blick in die Spitäler reiche. In Vorarlberg sind zum Beispiel von den aktuell 20 stationär betreuten Covid-Patienten 15 nicht geimpft. Auf der Intensivstation, wo sechs Corona-Erkrankte behandelt werden, sei nur eine geimpfte Person dabei. Diese habe aber bereits an schwersten immunologischen Begleiterkrankungen gelitten, berichtet Fidler. Der Experte ist Teil jener Kommission, die wöchentlich über die Farben der Coronaampel entscheidet. In Vorarlberg leuchtet sie derzeit orange (hohes Risiko), auch in Salzburg, Oberösterreich und Wien. In den anderen Bundesländern scheint noch das gelbe Signal (mittleres Risiko) auf.

“Die Belastung des Gesundheitsystems steigt zunehmend“, heißt es in dem Bericht der Expertenkommission. Bis Mitte September sind laut Prognosen mehr als zehn Prozent der verfügbaren Intensivbetten mit Covid-Patienten belegt. Ab dieser Auslastungsgrenze ist davon auszugehen, dass die Spitäler organisatorische Schutzmaßnahmen treffen, glauben die Experten. Dazu zählt unter anderem, gewisse Eingriffe zu verschieben.

Blick nicht nur auf Fallzahlen

Die Ankündigung von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), sich bei der Risikoeinschätzung künftig mehr auf die Belagszahlen in den Krankenhäusern als auf die Inzidenzen zu konzentrieren, ist laut Fidler im Prinzip längst umgesetzt. Die Ampelkommission gewichte die Fallzahlen bereits anhand mehrerer Indikatoren, dazu zählten unter anderem die Intensivkapazitäten, die Impfbedeckung und die Infektionsdynamik. Die Zahlen zeigen bereits, dass die vierte Welle in Österreich deutlich an Fahrt aufnimmt. Nur wenn die Durchimpfungsrate schneller steigt und Schutzmaßnahmen verschärft werden, könnte laut den Experten der Ampelkommission noch eine Systemgefährdung verhindert werden. Neben der Wiedereinführung der Maskenpflicht wäre verpflichtendes Testen von Reiserückkehrern wichtig, meint Fidler. In den Schulen müsse auf Sicht gefahren werden.

Einen Lockdown wolle niemand mehr, ist der Experte überzeugt. Auch die Bundesregierung schließt das aus. Zumindest Geimpfte sollen von derartigen Einschnitten befreit werden, erklärte Kurz am Montagabend im ORF-Sommergespräch. Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) pflichtet ihm bei: „Selbstverständlich werden wir in den Maßnahmen differenzieren, ob jemand geimpft ist oder nicht.“ Heute, Mittwoch, wird die Bundesregierung mit den Vertretern der Länder über neue Maßnahmen beraten. Auch die 1G-Regel ist Thema. Demnach könnten nur noch Geimpfte zu gewissen Bereichen Zutritt erhalten.

Werde das Systemrisiko zu groß, bleibe keine andere Wahl, als die Frage zu stellen “1G oder Lockdown?”, betont Fidler. „Oder wir lassen alles laufen, wie in den USA.“ In Regionen mit hoher Impfquote passiere relativ wenig. „In den anderen ist die Hütte voll. Menschen bekommen keine Spitalsbetten mehr. Manche Krebserkrankte können nicht therapiert werden und sterben, weil kein Platz ist. Die unschuldigen Geimpften kommen zum Handkuss, weil Ungeimpfte die Intensivstationen und Krankenhäuser belegen.“