In Tunis kam das Ende

Politik / 27.09.2021 • 22:56 Uhr
Demonstranten protestierten am Sonntag gegen Präsident Saied in Tunis. AFP
Demonstranten protestierten am Sonntag gegen Präsident Saied in Tunis. AFP

Einziges Hoffnungsland ist nun der Irak.

tunis Die schwache Demonstration von nur um die 2000 Aufmarschierern am Opernhaus wurde am Sonntag keine beeindruckende Mahnung an den tunesischen Präsidenten Kais Saied, der sich seit dem Frühsommer zu einem autoritären Staatschef herausgemacht hat: eher ein herbstlicher Abgesang auf den Arabischen Frühling, der 2011 in Tunesien begonnen hatte. Saied kann inzwischen ganz allein per Dekret regieren. Darin kommt er wieder dem vor über zehn Jahren gestürzten Diktator Zine el-Abidine Ben Ali gleich. Damit ist Tunis der gleichen Restauration der „alten Ordnung“ gefolgt, wie sie in Ägypten schon längst und teilweise auch in Libyen unter Marschall Chalifa Haftar durchgesetzt wurde.

Chronische Krise im Libanon

Überhaupt sind die demokratischen und sozialen Ideale des Arabischen Frühlings vom Atlantik bis zum Golf so ziemlich unter die Räder geraten. Sogar im Frühlings-Nachzügler Sudan sitzen schon wieder enge Vertraute des im April 2019 entmachteten Omar al-Baschir in der neuen Übergangsführung. Im Jemen und teilweise noch in Syrien halten die vom Arabischen Frühling entfachten Bürgerkriege an. Die einzige echte Demokratie, Libanon, hat zwar den „Frühling“ unbeschadet überstanden, ist aber zuletzt in eine fast chronische Krise gestürzt. Daran wird auch die endlich zustande gekommene neue Regierung von Nadschib Mikati wenig ändern können, denn Beirut ist praktisch in Hand der pro-iranischen Hisbollah: Ohne sie kann keine politische Führung auskommen. Außerdem ist die einstig reiche „Schweiz des Nahen Ostens“ sogar von direkten Benzinlieferungen aus Teheran abhängig geworden. So bleibt heute der Irak als einzige seit der Befreiung von Machthaber Saddam Hussein zum ersten Mal halbwegs funktionierende Demokratie in Nordafrika und Nahost übrig. Auch ist Bagdad eine stabile Lösung der Kurdenfrage gelungen, die beim Nachbarn Syrien ebenso wie in der Türkei weiter offen ist.

Iraks schiitische Führung scheint vor allem unter Beweis zu stellen, dass sie eine demokratischere Alternative zur Herrschaft der Schiitenklerisei im Iran anbietet.