Als das Ende für die “echten Luschnouar” kam

VN / 11.09.2025 • 16:10 Uhr
Als das Ende für die "echten Luschnouar" kam
Das Entbindungsheim Lustenau im Jahre 2000 kurz vor seiner Schließung. Viele Gemeindebürger erblickten dort das Licht der Welt. Ferdl Ortner

In Lustenau gingen Frauen für “ihr” Entbindungsheim auf die Barrikaden. 2001 schloss es dennoch seine Pforten.

Lustenau Wut, Unverständnis und Trauer zeigen viele Bludenzer angesichts der anstehenden Schließung der Geburtshilfestation im örtlichen Krankenhaus. Wie hochemotional alles behaftet ist, was mit Gebären und Orten der Niederkunft zu tun hat, bewies unter anderem das langsame Sterben des Entbindungsheims Lustenau.

1927 eröffnet

Das unter der Trägerschaft der Barmherzigen Schwestern 1927 eröffnete Entbindungsheim war im Selbstverständnis vieler Lustenauer bald fest verankert, wurde zu einem Markenzeichen der Gemeinde wie der Lustenauer Senf. Es galt in seinen Anfängen als moderne Geburtenstation mit für damalige Verhältnisse modernen Standards. Frauen konnten dort nicht nur wohlbehütet gebären, sie konnten die ersten Tage nach der Geburt dort auch in Ruhe und mit bester Betreuung verbringen. Das war absolut neu. Später galt: Ein “echter Luschnouar” musste im Entbindungsheim auf die Welt kommen, ansonsten haftete ihm in den Augen vieler Gemeindebürger ein lebenslanger Makel an.

Als das Ende für die "echten Luschnouar" kam
Emotionaler Abschied von einer Lustenauer Institution. Das Entbindungsheim schließt seine Pforten für immer. VN/Zellhofer

Tatsächlich diente das vermeintliche Aussterben des echten Lustenauers den glühenden Anhängerinnen des Entbindungsheimes in ihrem Kampf für den Erhalt der altehrwürdigen Institution in der Schützengartenstraße als emotionale Keule. In Zeiten rückläufiger Geburtenzahlen stand eine Schließung bereits 1980 in der Gemeindevertretung kurz vor dem Vollzug. Doch plötzlich stürmten ein gutes Dutzend schwangerer Frauen die Gemeindevertretersitzung und forderten die Mandatare vehement auf, das Heim weiterzuführen.

Erinnerung einer Mutter

Maria Hämmerle (69) war eine von ihnen. “Ich habe vier Kinder im Entbindungsheim zur Welt gebracht. Für uns war die Einrichtung etwas ganz Besonderes. Nirgends fühlten sich gebärende Mütter wohler, genossen ein heimeligeres Umfeld, wurde alles getan, dass sie die ersten Tage mit ihrem Säugling ungestört verbringen konnten. All das konnten die Geburtenstationen in den umliegenden Krankenhäusern damals nicht bieten. Was sich heute natürlich geändert hat”, lässt Hämmerle den Geist der Begeisterung fürs Entbindungsheim noch einmal hochleben. “Wir waren Feuer und Flamme für die Einrichtung, wollten unbedingt verhindern, dass sie schließt.”

Entbindungsheim Maria Hämmerle
Maria Hämmerle 1980 als schwangere Kämpferin für den Erhalt des Lustenauer Entbindungsheimes. Hämmerle

Tatsächlich nahm die Gemeinde vom Beschluss Abstand. Die Frauen blieben als “Initiative zur Erhaltung und Förderung des Lustenauer Entbindungsheimes” aktiv. Als die jährlichen Abgänge das Gemeindebudget belasteten und die Geburtszahlen weiter sanken, blieb eine Schließung Thema. Es kam zu einer Volksabstimmung. Am 9. März 1986 sprachen sich 58,7 Prozent der Wähler für den Erhalt des Entbindungsheims aus.

Entbindungsheim Maria Hämmerle
Maria Hämmerle heißt heute Marte. Ihre Erinnerungen an den Einsatz für das Entbindungsheim bleiben lebendig. Marte

Ende unvermeidlich

Trotz Investitionen in die Modernisierung der Ausstattung konnte langfristig das Ende des Entbindungsheims nicht verhindert werden. “Es gab auch einen Streit der Gemeindeärzte mit dem verantwortlichen Kollegen des Heimes. Die Emotionalität blieb zwar, aber die Umstände zwangen zum Handeln”, weiß Dorfhistoriker Dr. Wolfgang Scheffknecht. “Hauptausschlaggebend war, dass der ärztliche Leiter Dr. Richard Schöps dort seine Tätigkeit beendete”, erinnert sich Alt-Bürgermeister Hans-Dieter Grabher. Er leitete die Abstimmung am 25. Jänner 2001. Sie führte zu einem eindeutigen Ergebnis. 29:0 Stimmen für eine Schließung der traditionellen Institution. Die Grünen als Befürworter einer Fortsetzung des Betriebs hatten den Abstimmungssaal verlassen.

War als 15-jähriger schockiert: Hans-Dieter Grabher. von Sontagh
Altbürgermeister Hans-Dieter Grabher leitete die Sitzung vom 25. Jänner 2001, als die Gemeindevertretung das Ende des Entbindungsheims besiegelte. von Sontagh

“Abgefunden hat man sich mit der Schließung des Heimes dann doch relativ bald”, berichtet Hans-Dieter Grabher.