Dankwarte
Der Titel ist kein Tippfehler und hat nichts mit Benzin zu tun, sondern mit einer Dankesorgie am vergangenen Sonntag in Linz und Graz. Der Dank an die Wählerinnen und Wähler am Wahlabend ist in Österreich seit jeher ausgeprägt. In meiner Reporterzeit haben wir im ORF, quer durch Österreich, versucht, dass wir selbst am Beginn einer Gesprächsrunde stellvertretend den Wähler-Dank für alle Parteien übernehmen. Hat schon damals nicht funktioniert. Es wird nach wie vor bis zum Exzess gedankt. Diesmal der geduldigen Gattin, den Kindern und der übrigen Verwandtschaft, den Parteimitgliedern, den Wahlhelfern und natürlich den Wählern. Dauert pro Danksagung nicht unter einer gefühlten halben Minute. Bei sechs Partnern sind gleich einmal drei Minuten vorbei, ohne eine einzige politische Aussage. Parallel zu Linz und Graz lief die deutsche Wahlberichterstattung. Auch dort wird gedankt, aber erst im vierten oder fünften Satz, kurz und prägnant, in einem Halbsatz.
„Am Wahlabend gab es bei den für die Regierung in Frage kommenden Parteien einen Grundkonsens: Nicht mit der AfD.“
Der Blick nach Deutschland lohnt aus anderem Grund. Am Wahlabend gab es bei den für die Regierung in Frage kommenden Parteien einen Grundkonsens: Nicht mit der AfD. Die Partei sei wegen ihrer rechtsextremen Haltung nicht regierungsfähig. Bei uns gehen die Uhren anders. Die FPÖ ist Topfavorit für eine weitere Regierungsbeteiligung in Oberösterreich. Die FPÖ sei mit der AfD nicht vergleichbar, sagt man. Die Wahrheit ist, dass die AfD bei der Wahl von Kickl zum FPÖ-Obmann im Juni als erste gratuliert und die großen inhaltlichen Schnittmengen mit der FPÖ betont hat. Der AfD-Ehrenvorsitzende Gauland sagte, „man könne von der FPÖ viel lernen“. Kickl hat bei einem früheren Deutschlandbesuch gemeint, „beide Parteien müssten ihre oppositionellen Anstrengungen akkordieren.“ In Österreich kann Kickl ungestraft Beschränkungen für Ungeimpfte mit der Schutzhaft der Nazis vergleichen. Nur zur Erinnerung: Bei den Nazis waren in „Schutzhaft“ genommene Personen, also die KZ-Häftlinge, völlig rechtlos gestellt. Ein solcher Vergleich wäre in Deutschland nicht möglich, ohne dass diese Person politisch geächtet wäre. Der oberösterreichische FP-Chef Haimbuchner sei halt nicht mit Kickl in einem Atemzug zu nennen. Ist er doch. Der von Covid Genesene, der tagelang auf der Intensivstation gelegen und geimpft ist (anders als sein Bundesobmann), hat die Ablöse des früheren Obmanns Hofer zwar offen kritisiert, aber knapp vor der Wahl meinte er plötzlich auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Kickl: „Wir verstehen uns wunderbar“. Wer mit Haimbuchner eine Koalition eingeht, nimmt Kickl mit ins Boot. So einfach ist das.
Aber mit dem Geschichtsverständnis hapert es bei uns ohnehin. Das hat man beim Grazer Wahlergebnis gesehen. Der Grazer Bürgermeister hat seine Abwahl nach 18 Jahren wohl auch seiner Abgehobenheit zu verdanken („Ich werde meine schützende Hand, aber auch meine helfende Hand von Graz zurückziehen müssen“). Natürlich verdienen der caritative Einsatz von KPÖ-Chefin Elke Kahr samt Einkommensverzicht und dem Einsatz für Hilfesuchende großen Respekt. Die zukünftige Bürgermeisterin sagt zwar, sie habe mit Stalin nichts am Hut. Aber dass der Kommunismus, vor allem unter Stalin, Dutzende Millionen Menschen umgebracht hat, ist ein historisches Faktum, das Frau Kahr gern verdrängt. Sie hat auch einmal gesagt, dass sie den Marxismus für „die menschlichste Antwort auf die Gesellschaft halte“. So als ob der Marxismus nicht schon längst implodiert ist. Die steirische KPÖ fordert nach wie vor „revolutionäre Prozesse“, etwa die Verstaatlichung von Banken, Versicherungen, Schlüsselbetrieben der Wirtschaft und der Daseinsvorsorge“, sowie den Austritt aus der EU. Wir werden sehen, ob dort, wo Kommunismus draufsteht, auch Kommunismus drin ist.
Wolfgang Burtscher, Journalist und ehemaliger ORF-Landesdirektor, lebt in Feldkirch.
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