Kompromiss erzielt

Politik / 05.10.2021 • 22:46 Uhr
Vor allem Paris hält die Europäische Union wegen ungelöster Probleme in den eigenen Reihen für derzeit nicht erweiterungsfähig.  reuters
Vor allem Paris hält die Europäische Union wegen ungelöster Probleme in den eigenen Reihen für derzeit nicht erweiterungsfähig.  reuters

Westbalkan-Gipfel: EU-Staaten bei der Erweiterungspolitik einig.

brüssel Die EU-Staaten haben sich auf einen Kompromiss im Umgang mit den Beitrittshoffnungen der Westbalkan-Länder geeinigt. Bei dem EU-Westbalkan-Gipfel am Mittwoch im slowenischen Brdo soll erstmals schriftlich festgehalten werden, dass sich die Europäische Union weiter zu dem begonnenen Erweiterungsprozess bekennt, berichtete die Deutsche Presse-Agentur. Zugleich werde allerdings betont, dass die Fähigkeit zur Integration neuer Mitglieder in die EU auch eine Weiterentwicklung der Union selbst voraussetzt.

Keine absolute Klarheit

Mit dem Zusatz will sich nach Angaben von Diplomaten vor allem die Regierung in Paris die Möglichkeit offenhalten, die Aufnahme neuer Mitglieder zu blockieren, wenn sich die EU in den kommenden Jahren aus französischer Sicht als nicht reformfähig erweisen sollte. Die Beitrittsaspiranten Albanien, Nordmazedonien, Serbien, Montenegro, Bosnien-Herzegowina sowie der Kosovo haben damit weiter keine absolute Klarheit über ihre Chancen auf einen EU-Beitritt.

Über den Kurs der EU bei dem Westbalkan-Gipfel, an dem auch Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) teilnimmt, war tagelang hinter verschlossenen Türen gerungen worden. So forderte Gipfelgastgeber Slowenien laut Diplomaten zuletzt nicht nur ein Bekenntnis zum Erweiterungsprozess, sondern auch, den Westbalkanstaaten eine Aufnahme bis 2030 in Aussicht zu stellen. Andere Staaten wie Frankreich und die Niederlande lehnten dies ab. Sie argumentieren, dass die meisten Westbalkan-Staaten aller Voraussicht nach nicht in der Lagen seien, die notwendigen Reformen so schnell umzusetzen. Zudem hält vor allem Paris die EU wegen ungelöster Probleme in den eigenen Reihen für derzeit nicht erweiterungsfähig.

Österreich argumentiert, dass ohne eine glaubwürdige Beitrittsperspektive ein Vakuum in der Region entstehen könnte, das andere Staaten wie die Türkei oder China füllen. Der Westbalkan-Gipfel müsse „ein Aufbruchssignal sein mit der klaren Botschaft an die sechs Länder in der Region, dass ihre Zukunft in der EU liegt“, forderte Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) in der „Welt“. Kanzler Kurz plädierte vor dem Gipfel für einen Zeitplan für die EU-Erweiterung.

Als besonders heikel gilt, dass die Aufnahme von Beitrittsgesprächen mit Albanien und Nordmazedonien seit rund einem Jahr von Bulgarien aus innenpolitischen Gründen blockiert wird – obwohl bereits im März 2020 ein klarer EU-Beschluss für den Start von Verhandlungen getroffen wurde. Um die Balkanstaaten bei der Stange zu halten und Reformanstrengungen zu unterstützen, sollen sie nach der vorbereiteten Gipfelerklärung allein in diesem Jahr über einen Wirtschafts- und Investitionsplan rund 1,1 Milliarden Euro an EU-Mitteln erhalten. Die Kommission wolle dafür ein neues Paket in Höhe von 600 Millionen Euro vorschlagen, heißt es. Insgesamt sollen in den kommenden sieben Jahren rund 30 Milliarden Euro für die Region mobilisiert werden – unter anderem auch über neue Garantien.