Musterdemokratie USA?
Vor etwas mehr als einem Jahr, am 3. November 2020, wurde Donald Trump als Präsident seines Landes abgewählt: Ein derangierter Amateur-Politiker, Verführer und Lügner, der Moral, Mitmenschlichkeit und Vernunft in die Jauchegrube der Geschichte beförderte. Und der seine Wahlniederlage bis auf den heutigen Tag und vermutlich bis an das Ende seiner Tage delirierend nicht anerkennt und „demnächst“ triumphal ins Amt zurückzukehren verspricht.
Millionen von Menschen in allen möglichen Weltgegenden erwarteten nach der Wahl, dass Trump für gerichtlich festzustellende im Amt begangene Vergehen und Verbrechen ziemlich schnell vor Gericht und anschließend in justiziellem Gewahrsam landen werde. Angeklagt und verurteilt etwa wegen Hochverrat, Umsturzversuch, ordinären Betrügereien einschließlich Kreditbetrug, Steuerhinterziehung, Sexualstraftaten und unterlassener Hilfeleistung während der Corona-Pandemie. Bei der nach gesicherten Erkenntnissen von Wissenschaftlern ohne sein Leugnen der Gefahr und sein Aufstacheln oft militanter Impfgegner mehrere Hunderttausend Menschen in den USA nicht gestorben wären. Die Person des nunmehrigen Privatmenschen Donald J. Trump betreffend ist bislang wenig geschehen. Ein paar Staatsanwälte ermitteln, aber die Zielperson ihrer Anstrengungen „mauert“, verweigert die Herausgabe von Unterlagen und behindert die Untersuchungen seinerseits mit immer neuen Klagen gegen die Strafverfolger. Er, der Nicht-mehr-Präsident, der seine Anhänger Anfang des Jahres zur gewaltsamen Erstürmung des Parlaments und damit zum Putsch und zur „Korrektur“ des Wahlergebnisses ermunterte, reklamiert für sich „fortwährende Präsidentenrechte“, die es nicht gibt.
Trump spielt damit auf Zeit. Wenn er die Strafverfolger mit langwierigen Verfahren bis zum Verfassungsgericht blockieren kann, würde eines Tages die Verjährung aller ihm zur Last gelegten Taten eintreten. Das sind Winkelzüge aus dem Werkzeugkasten von Despoten und Herrschern in Bananen-Republiken. Die US-Gesellschaft darf Angriffe auf die Grundregeln der Demokratie und auf Recht und Gerechtigkeit nicht zulassen.
Nur ein Jahr nach der Präsidentenabwahl steht für die „Musterdemokratie USA“ damit viel auf dem Spiel: Vor allem ob sie noch eine ist, die Vorbild für Freunde und Verbündete sein kann. Und die von Trump angestrebte zweite Präsidentschaft wäre ein Alptraum für die Welt.
„Die Person des nunmehrigen Privatmenschen Donald J. Trump betreffend, ist bislang wenig geschehen.“
Peter W. Schroeder
berichtet aus Washington, redaktion@vn.at