Krieg in Europa
Über diese Nacht wird Europa noch lange sprechen. Sie beeinflusst den Lauf der Dinge. Wladimir Putin stellt in seiner Rede nicht nur die Existenzberechtigung der Ukraine infrage – sondern Europa insgesamt. Er telefoniert das Wochenende über mit Emmanuel Macron oder Olaf Scholz, lässt sie im Glauben, es könnte die Diplomatie doch gewinnen. Am Montag der Auftakt zum Ukraine-Einmarsch. Lässt die Separatisten in seinem Staatsfernsehen um die Anerkennung bitten, gewährt diese – und einige Stunden später sind bereits russische Soldaten, im Russland-Sprech natürlich „Friedenstruppen”, auf ukrainischem Terrain. Zurückblickend wird klar, dass alles auf die Anerkennungs-Show der ostukrainischen Separatistengebiete hinlief. Alles auf Schiene zur Einverleibung.
Putins dunkle 45-minütige Rede glich einer Generalabrechnung mit dem Westen. Es sprach ein zutiefst gekränkter Russe, der es als seine Aufgabe ansieht, die Schmach des Kollaps der Sowjetunion 1991 auszumerzen. Die Wiederherstellung des Stolzes endet nicht an den Grenzen der Separatistengebiete, nicht an den Grenzen der Ukraine.
Eine breite russische Desinformationskampagne läuft auch in Europa seit Jahren. Insbesondere die extreme Rechte, zuletzt die Impfgegner und zuvor schon die FPÖ haben Putins ausgestreckte Hand ergriffen. Es ist erst drei Jahre her, dass Putin auf der Hochzeit unserer damaligen Außenministerin in der Steiermark getanzt hat.
Russland hat in der Nacht auf heute Grenzen übertreten. Für Österreich, für Europa ist das brandgefährlich. Die ukrainische Westgrenze ist Wien näher, als es Vorarlberg ist.
Gerold Riedmann
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Gerold Riedmann ist Chefredakteur der Vorarlberger Nachrichten.
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