Moosbrugger: „Landwirtschaft braucht Leidenschaft – und faire Rahmenbedingungen“

Präsident Josef Moosbrugger spricht anlässlich des runden Jubiläums der LWKV darüber, was für Betriebe in Vorarlberg überlebenswichtig ist und wie man die Jungen motiviert.
Schwarzach Die Landwirtschaftskammer Vorarlberg feiert ihr 100-Jahre-Jubiläum: Ein Anlass, um in die Zukunft zu blicken. Im VN-Interview spricht Präsident Josef Moosbrugger über die Herausforderungen für Vorarlbergs Landwirtschaft: vom Preisdruck und der Fusion der Vorarlberg Milch bis zur Bedeutung von Regionalität, Diversifizierung und fairer Entlohnung. Sorge bereitet ihm der geplante Sparkurs der EU. Sein Appell: Wer Nachhaltigkeit lebt, muss dafür auch entlohnt werden – sonst steht Europas Lebensmittelversorgung und Unabhängigkeit auf dem Spiel.
Fangen wir mit dem Aktuellen an. Seit der Fusion der „Vorarlberg Milch“ mit der NÖM gibt es Unsicherheiten: Was muss man kaufen, wenn man Vorarlberger Milch haben will?
Josef Moosbrugger Wo Ländle draufsteht, ist Ländle drin. Man muss aber auch im Blick halten, dass die Vorarlbergmilch einen Partner gebraucht hat. Mit wenig Milch die breite Produktpalette zu halten, verursacht hohe Stückkosten. Wenn es der Markt nicht bezahlt, bezahlen es die Bauern – nämlich durch einen schlechten Milchpreis. Die Bauern werden dorthin die Milch verkaufen, wo sie einen besseren Preis bekommen, und das soll Vorarlberg bleiben.
Ein Kritikpunkt war die Butter aus Baden.
Moosbrugger Ich erwarte mir schon, dass die NÖM auch in der Kommunikation zulegt und den Leuten vermittelt, was die Strategie ist. In den Standort in Feldkirch wird investiert, er wird abgesichert. Wenn die Vorarlbergmilch in Feldkirch keine ausreichende Milchmenge mehr hat, ist der Betrieb tot. Daher war die Absicherung des Standorts die zentrale Frage. Dabei ging es eben darum, die Milchmenge zu halten, mit einem Preis, der für die Bauern passt. Aber man muss den Leuten sagen, was Sache ist. Schlecht informieren ist keine Alternative. Verunsicherung können wir nicht brauchen.
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Preisdruck, internationale Handelsabkommen: Lässt sich mit Regionalität noch Gewinn erzielen?
Moosbrugger Ja, aber da schmerzen uns die Diskussionen rund um die Lebensmittelpreise sehr. Die Strategie in Vorarlberg ist auf höchste Qualität und nicht auf Masse zu setzen. Da spüren wir, dass manche Bereiche an ihre Grenzen kommen. Das zeigt die Produktpalette der Vorarlbergmilch. Ein Vollsortiment in der weißen Palette anzubieten, kostet mehr, als für Produzenten, die ein Vielfaches der Milchmenge verarbeiten, aber auf eine viel kleinere Produktpalette setzen.
Gibt es Bereiche in Vorarlberg, die besonders unter Druck stehen?
Moosbrugger Der Käsebereich in den Sennereien. Der Handel vergleicht mit anderen Anbietern am Markt, aber das halten Kleinstrukturen wie in Vorarlberg nicht aus. Meine Botschaft an den Handel ist: Regionalität und höchste Qualität muss sich rechnen. Sonst wird es sie längerfristig nicht geben.
Landwirtschaft in Vorarlberg in den vergangenen 100 Jahren
10. März 1925: Der Vorarlberger Landtag entscheidet sich zur Errichtung der Bauernkammer als Nachfolgeorganisation des Landeskulturrates.
Als gesetzlich verankerte Körperschaft mit Pflichtmitgliedschaft hatte und hat die Vorarlberger Landwirtschaftskammer Anhörungs- und Mitgestaltungsrechte gegenüber Verwaltung und Politik
1929 Die Käseschutzmarke für Vorarlberger Käse wird in das Zentralmarkenregister aufgenommen.
1938 Mit dem Anschluss wurden die landwirtschaftlichen Organisationen und die Landwirtschaftskammer aufgelöst. Der Reichsnährstand organisierte die Landwirtschaft.
1947 Vollversammlung und Neubeginn: Am 12.4.1947 konstituiert sich die Bauernkammer neu
1957 Zuschussrentenversicherung – Bauernpension. Erstmals erhalten Übergeber einen Zuschuss als Absicherung im Ruhestand.
1960 Käseland Vorarlberg: Bei nur 3,8 Prozent der österreichischen Milcherzeugung erzeugt Vorarlberg 25 Prozent des österreichischen Emmentalers und 40 Prozent des Bergkäses.
1974 Gründung der „Vorarlberger Jungbauernschaft“ und des Vereines der „Vorarlberger Junggärtner“.
1982 Wochengeld auch für Bäuerinnen
1983 Neues Angebot in der Landwirtschaftskammer: Betriebswirtschaftsberatung
1988 Bergbauernhilfe des Landes. Vorarlberg führt als erstes Bundesland eine neue Direktzahlung für landwirtschaftliche Betriebe ein.
1989 Bäuerinnen Pension – Pensionssplitting in der Landwirtschaft wird möglich
1995 EU-Beitritt Österreichs
1996 wird in Vorarlberg, als Ergänzung zu den EU-Programmen, die Umweltbeihilfe des Landes eingeführt.
1999 Josef Moosbrugger wird Präsident der LK Vorarlberg
2001 Meilenstein in der Familienpolitik: Kindergeld für Bäuerinnen
2009 Bio – Vorarlberg Milch beginnt mit einer eigenen Bioschiene.
2016 Neues Beratunsangebot: Green Care unterstützt Bauernhöfe bei der Weiterentwicklung zu Orten sozialer Dienstleistungen.
2022 Neues Beratungsangebot: Energieberatung – Der Energieberater unterstützt bei der Suche nach Einsparungspotentialen und der eigenen nachhaltige Energieerzeugung.
2024 Das Impulsprogramm federt die Kostensteigerungen ab. Die Bundes- und Landesmittel für das ÖPUL, die Ausgleichzulage werden angepasst, die Investitionsförderung erweitert.
Das Berufsbild Landwirt wandelt sich. Immer mehr Betriebe setzen auf zusätzliche Einkommensquellen. Wie wichtig ist diese Art der Diversifizierung für Vorarlbergs Landwirtschaft?
Moosbrugger Enorm. Zwei Drittel der Betriebe werden im Nebenerwerb geführt. Das zeigt, dass der Strukturwandel nicht ausreicht, um allein aus der landwirtschaftlichen Produktion ein Einkommen zu sichern. Als Landwirtschaftskammer unterstützen wir bewusst diese Diversifizierung, zwei Standbeine bieten mehr Stabilität. Landwirtschaft war immer im Wandel und wird es auch bleiben.
Was muss ein junger Mensch, der jetzt in der Landwirtschaft arbeiten will, verstärkt mitbringen: Unternehmergeist oder Tradition?
Moosbrugger Es braucht vor allem Leidenschaft und Engagement. Sonst macht man den Job nicht sieben Tage die Woche und oft auch mehr als acht Stunden pro Tag. Und es braucht wirtschaftliches Denken, sonst kann man nicht mehr überleben.
Wie motiviert man den Nachwuchs?
Moosbrugger Es wird höchste Qualität produziert, aber der Markt nicht das zahlt, was ich brauche. Das schmerzt. Das ist die entscheidende Zukunftsfrage. Es macht den Jungen Mut, wenn sie merken, dass sie Vertrauen und Zustimmung aus der Bevölkerung bekommen und für das, was sie produzieren, auch entsprechend entlohnt werden.
Apropos Entlohnung: Die EU-Kommission plant Kürzung des EU-Agrarbudgets von acht auf 6,6 Mrd. Euro für die Jahre 2028 bis 2034. Welche Folgen wird das haben?
Moosbrugger Es ist das falsche Signal, ausgerechnet bei extremen Regionen und der Nachhaltigkeit zu sparen. Wettbewerbsverzerrungen werden zunehmen. Das gefährdet letztlich auch die Lebensmittelversorgung in Europa. Bei der Energie sind wir bereits abhängig und erpressbar – das darf bei Lebensmitteln nicht passieren. Ohne eigenständigen Haushalt ist die gemeinsame Agrarpolitik in Europa am Ende. Daher werden wir die nächsten eineinhalb bis zwei Jahre nützen und mit Nachdruck Verbesserungen fordern.