IAEA-Chef will nach Tschernobyl reisen

Die Atomenergiebehörde hat Russland aufgefordert, Nuklearanlagen während der Kampfhandlungen zu schützen.
WIEN In der Nacht auf Freitag stand das größte Kernkraftwerk Europas um 00:40 Uhr in Brand. Zuvor war es zu Kampfhandlungen der russischen Armee rund um das AKW Saporischschja im Osten der Ukraine gekommen. Die Entwarnung: Der Brand in einem Trainingsgebäude in Block 1 wurde gelöscht. Es wurden keine radioaktiven Stoffe freigesetzt.
“Laut ukrainischer Behörde und der IAEO wurden die insgesamt sechs Reaktorblöcke nicht beschädigt und es besteht keine Beeinträchtigung der Sicherheit der Anlage”, informiert die Strahlenschutzabteilung des Klimaschutzministeriums.
Schutz von Nuklearanlagen
Diese Entwicklung beunruhigt natürlich dennoch. Die Anlage Saporischschja ist etwa 1300 Kilometer von Österreich entfernt. Das Klimaschutzministerium betonte, dass aktuell keine Gefahr für Österreich bestehe. Die Expertinnen und Experten des Strahlenschutzes beobachteten die Lage laufend und “es besteht derzeit keine Gefahr für Österreich”. Nach Angaben der ukrainischen Behörden sei zudem aktuell “nur” der vierte Block in Betrieb.

“Während wir Ausdrücke wie ‘normal’ benutzen, möchte ich betonen, dass nichts normal ist unter diesen Umständen”, sagte am Freitag Rafael Grossi, Direktor der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) mit Sitz in Wien. Die IAEA habe Russland und die Ukraine dringend aufgefordert, sich auf eine Rahmenvereinbarung zum Schutz von Nuklearanlagen während der Kampfhandlungen zu verständigen. Er will nun persönlich in die Sperrzone rund um Tschernobyl reisen, wie er bei einer Pressekonferenz betonte.
Selenskyj: Gezielter Beschuss
Grossi stellte klar, dass er nicht als politischer Mediator auftrete, sondern allein im Rahmen seines Mandats für die Sicherheit von Nuklearanlagen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach von einem gezielten Beschuss der Reaktorblöcke durch russische Panzer. Das Verteidigungsministerium in Moskau sprach hingegen von einer “Provokation des Kiewer Regimes in der Nuklearanlage”, die Russland in die Schuhe geschoben werden solle.
Großbritannien und Frankreich gingen hingegen von einem vorsätzlichen Angriff russischer Truppen auf das ukrainische Atomkraftwerk aus. “Dies ist das erste Mal, dass ein Staat ein mit Brennstäben bestücktes und funktionierendes Atomkraftwerk angegriffen hat. Und es ist eindeutig durch das Völkerrecht und die Genfer Konventionen verboten”, sagte die britische UN-Botschafterin Barbara Woodward vor einer Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats in New York.
“Angriffe auf Atomkraftwerke stehen im Widerspruch zum humanitären Völkerrecht”, sagte die UN-Beauftragte für politische Angelegenheiten, Rosemary DiCarlo. Sie meinte, dass Russland gegen die UN-Charta verstoße.