Bei aller Härte
Der ukrainischen Delegation, die diese Woche schon zwei Mal mit russischen Regierungsvertretern zusammengekommen ist, gebührt unendliche Anerkennung: Wie viel Überwindung muss es kosten, dem Feind gegenüberzusitzen und ein sachliches Gespräch zu führen, bei all den Grausamkeiten, die sich ereignen? Es ist lange her, dass deutlich geworden ist, wie anspruchsvoll und bedeutend Diplomatie ist. Es wirkt verniedlichend, wenn diesbezüglich nur von einer Kunst gesprochen wird. Es ist viel mehr.
„Gleichzeitig muss man alles tun, damit sich dieser Krieg nicht ausweitet und zudem an Lösungen für die Zukunft arbeiten.“
Das Vorgehen Russlands unter Wladimir Putin ist zu verurteilen, der Westen hat mit harten Sanktionen darauf geantwortet. Ukrainerinnen und Ukrainern gehören Solidarität und Hilfe. Gleichzeitig ist es notwendig, alles zu tun, damit sich dieser Krieg nicht ausweitet – und darüber hinaus auch schon an möglichen Lösungen für die Zukunft zu arbeiten.
„Wir führen keinen Krieg gegen Russland“, betont Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Er hat am Donnerstag eineinhalb Stunden lang mit Putin telefoniert. Das waren wichtige Signale. Genauso wie die Tatsache, dass die USA und Russland eine „Hotline“ eingerichtet haben, um kritische Sicherheitsfragen zu besprechen, damit es in Notsituationen zu keinem Missverständnis kommt. Oder die Klarstellung des deutschen Kanzlers Olaf Scholz, dass es keinen NATO-Einsatz in der Ukraine geben werde.
Diesbezüglich ist in den nächsten Wochen mit Belastungsproben zu rechnen: Wenn die Kämpfe andauern, und wenn Russland die Sanktionen immer stärker zu spüren bekommt, werden die Entwicklungen noch schwerer zu kontrollieren sein, ist noch weniger absehbar, wer wie reagieren könnte.
Umso wichtiger ist es, Diplomatie auf allen Ebenen hochzufahren: Wie könnte Europa, wie könnte insbesondere auch Putin da wieder rauskommen? Man darf nie vergessen, dass es keine übergeordnete Weltmacht gibt, die wirkungsvoll gegen den obersten Vertreter einer Großmacht vorgehen kann. Das kommt in der Hilflosigkeit der Vereinten Nationen zum Ausdruck. Also führt längerfristig kein Weg an einer Lösung mit Russland vorbei.
Das gehört zu den schwierigsten Herausforderungen, die nun zu bewältigen sind: Welche Perspektive könnte es für Russland geben? Welche Formen der friedlichen Koexistenz sind denkbar? Welchen Status könnte die souveräne Ukraine einnehmen? Wie könnte gewährleistet werden, dass man einander ernst nehmen muss? Wie und unter welchen Umständen könnte Russland letzten Endes auch wirtschaftlich wieder auf die Beine geholfen werden?
Derartige Größe ist in der Geschichte schon einmal bewiesen worden. Sie war sogar noch größer: Die USA, Siegermacht des Zweiten Weltkriegs, ließen Deutschland und Österreich nach 1945 nicht zugrunde gehen als Strafe dafür, was das nationalsozialistische Regime angerichtet hatte. Sie verhalfen den beiden vielmehr zu einer besseren Entwicklung.
Johannes Huber betreibt die Seite dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik.
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