Wolfgang Burtscher

Kommentar

Wolfgang Burtscher

Rauch muss liefern

Politik / 06.03.2022 • 15:10 Uhr

Was für ein Unterschied? Erinnern Sie sich noch an den ersten öffentlichen Auftritt von Ex- Gesundheitsminister Mückstein Mitte April? Nicht unsympathisch, aber unsicher, unbeholfen, direkte Aussagen vermeidend. Wie in der gesamten Amtszeit. Das personifizierte Argument, dass Quereinsteiger in der Politik oft ein Problem sind. Am Freitag dann Johannes Rauch. Mit professionellem Auftreten, die Dinge beim Namen nennend und als Nichtarzt mehr Kompetenz ausstrahlend als sein Vorgänger in fast elf Monaten.

„Mit professionellem Auftreten, die Dinge beim Namen nennend und als Nichtarzt mehr Kompetenz ausstrahlend als sein Vorgänger in fast elf Monaten.“

Wie wird sich Rauch in Wien behaupten? Er wird sich vom Regierungspartner und auch von den wieder Oberwasser verspürenden Landeshauptleuten nicht wie seine beiden Vorgänger am Nasenring durch die Arena führen lassen, denn auch Rudi Anschober konnte sich oft nicht gegen ÖVP und Länder durchsetzen. Rauch: „Die Pandemie für beendet zu erklären, diesen Fehler mache ich nicht.“ Eine späte Ohrfeige für den, der das letzten Sommer gemacht hat, Sebastian Kurz. „Bei Corona braucht es klare nachvollziehbare Entscheidungen“. Das ist nichts anderes als eine massive Kritik an der Politik von Bund und Ländern, die eben nicht klar oder nachvollziehbar war und auf Ebene der Länder oft völlig unterschiedlich.

Doch Rauch muss liefern. Daran wird er gemessen. Schonfrist gibt es keine. Bis Dienstag muss die von der Regierung eingesetzte Expertenkommission eine Grundlage für die Entscheidung über das Aussetzen der Impfpflicht und bezüglich drohender Strafen treffen. Dazu hat sich Rauch mehrfach geäußert. Zur Impfpflicht: „Angesichts der Bedrohung durch das Virus war sie bedauerlicherweise notwendig“ (in seinem Blog Ende Jänner). Und: „Besonders ist der Vorschlag, die Impfpflicht behalten, aber Strafen auszusetzen. Ist wie Tempolimit auf der Autobahn ohne Radar und Strafen“ (auf Twitter am 16. Februar). Da hat er sich weit aus dem Fenster gelehnt. Rauch hat in seiner Antrittspressekonferenz gemeint, dass die Wissenschaft die Basis für die Maßnahmen treffen müsse. Er hat sich zwar ein Hintertürl gelassen („entscheiden wird die Politik“), aber hinzugefügt: „Evidenzbasiert und auf der Basis von Fakten“. Diese Fakten sehen nicht gut aus. Die Covid-Zahlen steigen und die Beschränkungen fallen. Am Samstag fast 31.000 neue Fälle, in Vorarlberg 1531 und das drittschlechteste Ergebnis in Österreich, Wien mit den strengsten Maßnahmen hat als einziges Bundesland eine 7-Tages-Inzidenz von unter 2000. Da wäre Rauch gleich am Anfang extrem unglaubwürdig, wenn er die Fakten ignoriert. Als nächstes muss Rauch die Impfquote erhöhen, die in Österreich weit hinter vergleichbaren Ländern herhinkt. Am Freitag ließen sich gerade einmal 6809 Menschen impfen, in Vorarlberg gar nur 258. Rauch wird bald erklären müssen, wie er das macht, wenn er sein Versprechen halten will, dass wir nicht mehr in die nächste Welle im Herbst und Winter hineintaumeln dürfen.

Noch vor seiner Berufung zum Minister hat Rauch gemeint, es sei Aufgabe der Mehrheit, im Parlament und in der Bundesregierung, auf die Minderheit zuzugehen: „Auch wenn der großen Mehrheit der Bevölkerung die Sturheit, die Uneinsichtigkeit, die Verbohrtheit, das Misstrauen der kleinen, aber lautstarken Minderheit auf die Nerven gehen.“ Sagt sich leicht, wenn man es nicht umsetzen muss. Jetzt aber muss Rauch auch hier liefern. Zur Erinnerung: Sein Vorgänger ist gerade auch deshalb gegangen, weil er im Fokus einer immer radikaler werdenden Gruppe von Corona-Leugnern stand, die vor seinem Ministerium riefen „Komm raus, du Sau“, im Auto eine Schutzweste tragen musste, permanenten Polizeischutz brauchte und diese Einschränkung des Lebens seiner Familie nicht mehr ausgehalten hat.

Wolfgang Burtscher, Journalist und ehemaliger ORF-Landes­direktor, lebt in Feldkirch.