ORF-Moskau-Korrespondentin Miriam Beller über ihre vorübergehende Rückkehr nach Wien

Die Vorarlbergerin berichtet derzeit wieder aus Österreich. Vorübergehend, wie sie betont.
WIEN Immer mehr Medienunternehmen ziehen ihre Korrespondenten aus Russland ab. Hintergrund ist ein neues russisches Gesetz, das vermeintliche Falschnachrichten über die Streitkräfte unter Strafe stellt. Es drohen hohe Geldstrafen oder sogar 15 Jahre Haft. Auch die ORF-Journalistin Miriam Beller berichtet seit neuestem wieder aus Wien.
Der ORF hält aber weiterhin die Stellung, Paul Krisai und Carola Schneider sind noch im Moskauer Büro tätig. Sie befinde sich erst einmal vorübergehend wieder in Österreich, erläutert Beller.
Schwierige Tage und Wochen
Die ursprünglich aus Bludesch stammende Journalistin berichtet von schwierigen Tagen und Wochen, seit Russland die Ukraine angegriffen hat. Gleichzeitig ist ihr wichtig klarzustellen: „Das ist natürlich nichts im Vergleich zu dem, was unsere russischen Kolleginnen und Kollegen durchmachen. Bei ihnen handelt es sich praktisch um ein Kampf David gegen Goliath. Sie werden seit Jahren unterdrückt, arbeiten teilweise unter Lebensgefahr, viele mussten das Land verlassen.“
Die 33-Jährige bezeichnet die russische Gesellschaft als tief gespalten, was den Krieg in der Ukraine angeht. „In meinem Umfeld herrscht Verzweiflung über das, was derzeit passiert. Es handelt sich um einen kollektiven Schockzustand.“

Zudem haben viele Angst, was die eigene Zukunft angehe, gerade junge Menschen Ende 20, Anfang 30. „Andererseits gibt es auch viele, welche die russische Politik unterstützen. Dass es zivile Opfer in der Ukraine gibt, wissen sie oftmals gar nicht, wollen es auch gar nicht wissen.“ Die Staatspropaganda spiele in diesem Zusammenhang eine große Rolle. Wie sich die öffentliche Meinung langfristig entwickle, ließe sich nicht sagen. „Vielen ist noch nicht bewusst, was auf sie zukommt. Aber es gibt hohe Unsicherheit, gerade auch, da viele Geschäfte und Lokale zugesperrt haben, etwa Adidas, H&M und McDonald’s. ApplePay wurde zum Beispiel in der Vergangenheit auch häufig genutzt. Das alles ändert sich nun.“
Keine freie Meinungsäußerung
Dass sich noch immer Menschen in Russland trauen, gegen den Krieg zu protestieren, sei bewundernswert, sagt die Journalistin. „Sie wissen: Wenn sie mit einem Plakat auf der Straße stehen, werden sie festgenommen. Als Russin oder Russe kann man seine Meinung nicht mehr frei äußern.“ Massendemonstrationen gebe es vor diesem Hintergrund nicht. „Natürlich ist die Angst groß.“

Erzählt Beller über ihren Beruf, gerät sie ins Schwärmen. Außenpolitik habe sie schon immer fasziniert. „Ich kann mit so vielen Menschen sprechen, verschiedene Lebensrealitäten kennenlernen. Ich bekomme zahlreiche Einblicke. Es handelt sich natürlich um ein Privileg. Dazu kommt die Vermittlerrolle, die ich sehr schön finde.“ Dass sie derzeit nicht mehr aus Russland berichten kann, bedauert Beller umso mehr. Es habe sich immer um einen Traum gehandelt. Doch die Lage werde beobachtet und laufend neu bewertet. „Wir schauen nun jeden Tag, wie es weitergehen kann.“
Miriam Beller
Auslandskorrespondentin beim ORF
Geburtstag: 7. November 1988
Werdegang: Studium der Internationalen Entwicklung in Wien, ab 2013 beim ORF tätig. 2014/15 absolvierte sie ein Traineeship im Rahmen der ORF-Akademie und arbeitete daraufhin ein Jahr in der TV-Wissenschaftsredaktion. Ende 2016 wechselte sie in die Außenpolitik-Redaktion der „Zeit im Bild.“ Seit Oktober vergangenen Jahres berichtete sie aus Moskau.
Wohnort: Eigentlich Moskau, nun vorübergehend Wien
Hobbys: Stricken, Sport, Musik