Solidarisch?!
Österreich verurteilt Wladimir Putins Überfall auf die Ukraine. Es trägt Sanktionen mit und betont, Flüchtlinge aufzunehmen. Ist das genug? Nein.
Hier handelt es sich nicht nur um einen Angriffskrieg gegen ein Land. Es geht um mehr: Putin ist von einem Großmachtdenken getrieben, das er mit militärischen Mitteln durchzusetzen versucht. Außerdem zeigt er durch seinen Umgang mit Kritikern im eigenen Land, wie diktatorisch er tickt. Hier schließt sich der Kreis: In der Ukraine hatten sich Freiheit, Selbstbestimmung und Demokratie entwickelt. Nicht nur das dortige Streben zu NATO und westeuropäischer Integration war dem Mann im Kreml zuwider, sondern auch dies.
„Österreich hat nicht einmal eine Idee zum Schutz freier und demokratischer Staaten. Das ist das Beschämendste.“
Insofern ist dieser Krieg gegen die Ukraine im Besonderen und gegen unsere Werte im Allgemeinen gerichtet. Kann man da neutral sein? Nein. Die Neutralitätsbekenntnisse von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) oder SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner sind daneben. Im Wissen, dass ein unkontrollierbarer Flächenbrand daraus werden könnte, will kein NATO-Staat gegen Russland ins Feld ziehen. Es ist sogar beruhigend, wie klar das immer wieder betont wird.
Es ist aber leider so, dass Westeuropa nur die NATO hat, um einem Gefährder wie Putin eine abschreckende Verteidigungsfähigkeit entgegenzusetzen. Österreich versteckt sich da, behauptet, die Neutralität genüge. Das ist eine Selbstlüge: Auf die eigene Verteidigungsfähigkeit wird gepfiffen. Neutralitätspolitik wird keine betrieben, nirgends. Und die russische Botschaft hat bereits wissen lassen, dass Österreich nur noch „scheinbar“ neutral sei. Damit sind alle wesentlichen Grundlagen nicht vorhanden oder brüchig.
Wer Putin wirkungsvoll entgegentreten und sich glaubwürdig mit Wolodymyr Selensky solidarisieren möchte, darf es nicht bei Augenauswischerei und allfälligen Lippenbekenntnissen belassen. Er muss Verantwortung tragen, sich der NATO anschließen oder wenigstens erklären, wie er sich den Schutz freier und demokratischer Staaten anders vorstellt. Das Beschämendste an der ganzen Sache ist, dass es nicht einmal dafür eine Vorstellung gibt aus Wien.
Nötig wären außerdem Sanktionen, die Putin noch stärker unter Druck setzen. Auch wenn sie einem selbst wehtun. Doch was wären Folgen eines Gas-Importstopps gegen das, was insgesamt auf dem Spiel steht? Ja, man sollte immer möglichst alles bedenken: Die Folgen für die Industrie wären fatal. In diesem Zusammenhang gehören aber auch Politikerinnen und Politiker zur Verantwortung gezogen, die es zu dieser Abhängigkeit von Russland kommen ließen und die, wie Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP), erst im Februar 2022 auf die Idee kamen, Notfallreserven zu fordern; oder die, wie Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) und Rohstoffministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP), auch erst jetzt aufgewacht sind.
Nötig wäre mehr Engagement bei der Aufnahme von Flüchtlingen. In Polen sind es schon zwei Millionen, im bettelarmen wie kleinen Moldawien über 350.000. Da müsste Österreich nicht einmal allein einspringen, es wäre schon viel, sich für eine europaweite Verteilung einzusetzen. Das wäre Solidarität, die angemessener ist.
Johannes Huber betreibt die Seite dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik.
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