Besuch im Zeichen des Krieges

US-Präsident Biden reiste nach Polen. EU will künftig riesige Flüssiggas-Mengen aus den USA beziehen.
Warschau, Brüssel US-Präsident Joe Biden hat am 30. Tag des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine das östliche NATO-Mitglied Polen besucht. Nur 90 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt traf sich Biden am Freitag in der Stadt Rzeszow zunächst mit in Polen stationierten US-Soldaten. Der US-Präsident sagte, in dem Konflikt gehe es um mehr, als den Menschen in der Ukraine zu helfen und die „Massaker“ zu stoppen. Es gehe auch um die Freiheit der Kinder und Enkel der amerikanischen Soldaten. In den vergangenen zehn Jahren seien mehr Demokratien auf der Welt verloren gegangen, als neu gegründet worden seien. Die Frage sei, ob sich im globalen Wettbewerb Demokratien oder Autokratien durchsetzten.
Maschine kehrte um
Russland kündigte als Reaktion auf den NATO-Aufmarsch an der Ostflanke an, seine Truppen an der Westgrenze aufzustocken. Die NATO hatte wegen des Kriegs ihre Verteidigungspläne aktiviert und an der Ostflanke 40.000 Soldaten dem direkten Kommando des Bündnisses unterstellt. Am Freitag wollte sich der US-Präsident eigentlich auch mit dem polnischen Staatschef Andrzej Duda treffen. Dessen Flugzeug musste aber wegen eines Schadens nach Warschau zurückkehren. Dort stieg Duda in ein Ersatzflugzeug um. Heute, am Samstag, hält Biden eine Rede in Warschau.
Am Donnerstag hatte das US-Staatsoberhaupt gleich an drei Spitzentreffen in Brüssel teilgenommen – auf dem Programm standen ein NATO-Sondergipfel, ein Gipfel der führenden demokratischen Wirtschaftsmächte (G7) und ein EU-Gipfel. Dabei kündigte er unter anderem an, dass die Vereinigten Staaten bis zu 100.000 Geflüchtete aus der Ukraine aufnehmen wollen. Außerdem verhängte die US-Regierung neue Sanktionen gegen Russland.
Vor seinem Abflug Richtung Polen vereinbarte Biden mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, Europa unabhängiger von Energielieferungen aus Russland zu machen. Die USA wollten in diesem Jahr mit internationalen Partnern 15 Milliarden Kubikmeter Flüssiggas (LNG) zusätzlich in die EU liefern. Langfristig solle die Menge auf 50 Milliarden Kubikmeter pro Jahr ansteigen. Damit könnte nach Kommissionsangaben etwa ein Drittel der derzeitigen Gasimporte aus Russland ersetzt werden.
Die EU beschloss auch, zur finanziellen Unterstützung der Ukraine einen Solidaritätsfonds einzurichten. Wie zuvor die USA erhob auch die EU offiziell gegen Russland den Vorwurf, Kriegsverbrechen zu begehen. Die EU-Staaten sind sich aber uneins, was ein russisches Energie-Embargo betrifft. Während Deutschland und auch Österreich das kategorisch ausschließen, drängen vor allem die baltischen Länder darauf.
Moskau warf dem Westen unterdessen vor, mit den Strafmaßnahmen Krieg gegen Russland zu führen. „Heute haben sie uns einen echten hybriden Krieg erklärt, den totalen Krieg“, sagte Außenminister Sergej Lawrow.