Peter Bußjäger

Kommentar

Peter Bußjäger

Krisenvorsorge

Politik / 25.03.2022 • 06:30 Uhr

Die Geschichte der „dritten Piste“ am Flughafen Schwechat ist in mancher Hinsicht lehrreich: Der Bau einer dritten Start- und Landebahn sollte den wachsenden Flugverkehr besser bewältigen und Kapazitäten für den Ausbau schaffen. Vor mittlerweile fünfzehn Jahren wurde das Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren gestartet, das mit einer Überraschung endete: Das Bundesverwaltungsgericht verweigerte im Jahre 2017 die Genehmigung in erster Linie mit der Begründung, dass der Klimaschutz dem Projekt entgegenstehe.

„Im März 2020 kam Corona auch nach Österreich und kein Mensch brauchte mehr eine dritte Piste.“

Außerdem, so die Richter, gingen über 600 Hektar wertvoller Ackerboden verloren. Wie viele Kommentatoren sich über das Ackerbau-Argument lustig machten! In einem zusammengewachsenen Europa von Ernährungssicherheit zu sprechen, wie lächerlich! Einer der Richter wurde, weil er einen beruflichen Hintergrund in der Land- und Forstwirtschaft hatte, in einer Zeitung als Agrarlobbyist bezeichnet.

Die weitere Geschichte ist schnell erzählt: Der Verfassungsgerichtshof hielt das Argument betreffend Klimaschutz für willkürlich und hob die angefochtene Entscheidung auf. Im zweiten Rechtsgang musste das Bundesverwaltungsgericht der Rechtsauffassung des Verfassungsgerichtshofes folgen und die Genehmigung erteilen. Im Februar 2020 wurde die letzte Beschwerde der Projektgegner abgewiesen, die „dritte Piste“ hätte nun gebaut werden dürfen. Im März 2020 kam Corona auch nach Österreich und kein Mensch brauchte mehr eine dritte Piste.

Seither hat sich viel verändert. Zwar wächst der Flugverkehr wieder, aber ob der Verfassungsgerichtshof heute noch den Mut hätte, die Berufung des Gerichtes auf den Klimaschutz als Willkür abzutun, ist ebenso fraglich wie die Zukunft der dritten Piste.

Seit der Ukraine-Krise ist sogar das scheinbar etwas altbackene „Ackerbau-Argument“ wieder im Spiel. Der Ausfall der Ukraine wird die Getreidepreise in die Höhe schnellen lassen, was für uns ärgerlich und für die Menschen in vielen Staaten Afrikas lebensbedrohend sein wird. Weil in Österreich so viel Boden versiegelt wird wie in kaum einem anderen Staat Europas, ist Versorgungssicherheit gerade bei uns ein hochaktuelles Thema.

Obwohl die kleinstrukturierte Landwirtschaft in Vorarlberg die Bevölkerung natürlich nicht ernähren kann, so dient doch jeder Quadratmeter landwirtschaftlich genutzter Boden im Westen wie im Osten Österreichs der Versorgungssicherheit. Vor diesem Hintergrund sollte etwa die Landesgrünzone kein Reservoir für günstige Industriebaugrundstücke sein, sondern auch als Krisenvorsorge verstanden werden.

Peter Bußjäger ist Direktor des ­Instituts für Föderalismus und ­Universitätsprofessor in Innsbruck.