Kathrin Stainer-Hämmerle

Kommentar

Kathrin Stainer-Hämmerle

Wille zur Macht

Politik / 31.03.2022 • 22:38 Uhr

Pamela Rendi-Wagner will Kanzlerin. Das hat sie mit ihrem Auftritt vergangenen Sonntag bewiesen. „Ein Land. Eine gemeinsame Zukunft“ übertitelte sie ihre programmatische Rede vor ausgewähltem Publikum. Im Gedächtnis bleiben weniger ihre Aussagen als ein Bild: Der Einmarsch der ersten Parteivorsitzenden, umgeben von Franz Vranitzky, Viktor Klima, Alfred Gusenbauer, Werner Faymann und Christian Kern. Die fünf Altkanzler verkörpern beinahe 25 Jahre SP-Dominanz.

Ob das wirklich die so viel besseren Zeiten waren, wie Rendi-Wagner mehrfach betonte, ist Ansichtssache. Aus Sicht der SPÖ jedenfalls, denn Opposition ist zwar nicht Mist (wie es Franz Müntefering einst verkürzte), aber das Kanzleramt hat doch mehr Macht und Prestige. Dass sich erstmals alle ehemaligen noch lebenden SP-Kanzler für den gemeinsamen Fototermin zusammenfanden, hat also mit viel Räson und Parteiloyalität zu tun. Getrennt lassen sich keine Wahlen gewinnen. Daher galt es persönliche Befindlichkeiten gegeneinander, aber auch gegenüber der Partei hintanzustellen.

Zu dieser Einsicht ist Hans-Peter Doskozil noch nicht gelangt. Während der Wiener Bürgermeister und Kärntner Landeshauptmann Rendi-Wagner mit ihrer Anwesenheit unterstützten, fehlte ihr Kollege aus dem Burgenland. Solange die Umfragen aber zumindest ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der ÖVP anzeigen, gelingt der SP-Chefin die Mobilisierung der Partei. Denn mehr als jede Rede vereint der Erfolg in Griffweite und hilft, Gegner in Schach zu halten. Nun gilt es die Wähler davon zu überzeugen, dass Rendi-Wagner Kanzlerin kann. Mit Angriffen auf die Regierung entsteht die notwendige Wechselstimmung. Was noch fehlt, sind die konkreten Vorschläge, wie zukünftig ein sozialdemokratisch regiertes Österreich aussehen kann. Für den Wahlkampf braucht Rendi-Wagner mehr Gespür, welche Aussagen zumindest innerhalb der Partei mehrheitsfähig sind. Die unklare Haltung zum Auftritt des ukrainischen Präsidenten Selenskyj im Nationalrat war ungeschickt, ist aber nicht wahlentscheidend. Wenn das Hin und Her die Ausnahme bleibt.

Fehlt noch der dritte Schritt: die Überzeugung möglicher Koalitionspartner. Hier gilt es eine wichtige strategische Entscheidung zu treffen. Will Rendi-Wagner es wie Olaf Scholz in Deutschland mit einer Ampel versuchen, steht sie für das frühere großkoalitionäre Modell mit der ÖVP oder wagt sie gar die Vranitzky-Doktrin zu kippen und Verhandlungen mit der FPÖ? Den Willen zur Macht kann Rendi-Wagner nach ihrer Rede niemand absprechen. Die Konkurrenz sollte sie dennoch nicht unterschätzen. Karl Nehammer lässt sich nicht so einfach ein Image der sozialen Kälte oder Korruptionsanfälligkeit umhängen. Der U-Ausschuss und weiterer Streit in der Koalition sorgen sicher für Rückenwind, aber er wird Rendi-Wagner nicht so weit tragen wie Anke Rehling im Saarland. Die neue SPD-Ministerpräsidentin erreichte am Sonntag die Absolute.

Kathrin Stainer-Hämmerle

kathrin.stainer-­haemmerle@vn.at

Kathrin Stainer-Hämmerle aus Lustenau lehrt Politikwissenschaften an der FH Kärnten.