„So macht man Bludenz tot“: Warum Ajnija Reiterer überlegt, ihre Bar „Herr Muk“ zu schließen

In der Bludenzer Innenstadt gelten für Bars und Restaurants offenbar unterschiedliche Regeln. Eine Wirtin versteht das nicht – und denkt sogar ans Aufhören.
Bludenz Ajnija Reiterer versteht die Welt nicht mehr: Die Cafés und Restaurants, nur wenige Meter von ihrer Bar „Herr Muk“ entfernt, dürften theoretisch bis 23 Uhr draußen geöffnet haben. Sie selbst muss ihre Gäste bereits um 22 Uhr nach drinnen verweisen – und das nur, weil sie eine Bar betreibt.
Ajnija Reiterer hat bei der Bezirkshauptmannschaft eine Verlängerung der Öffnungszeiten ihres Gastgartens bis 24 Uhr beantragt. Bei der mündlichen Verhandlung waren neben den Nachbarn auch ein Gutachter des Landes vor Ort. Dessen Beurteilung fiel ernüchternd aus: Aufgrund der Lautstärke sei eine Verlängerung der Betriebszeiten im Außenbereich nicht möglich. Die Argumentation klingt kurios: Die Gäste im Restaurant würden mit vollem Mund – also während des Essens – nicht reden können; Gäste in einer Bar hingegen seien lauter, reden und lachen mehr. „Kein Mensch isst bis 23 Uhr“, ärgert sich Ajnija über diese Regelung – zumal viele Küchen ohnehin nicht so lange offen hätten.

Gastronomien sollten gleichbehandelt werden
„Im Sommer überlebe ich so nicht“, sagt die Wirtin. Wenn die Gäste ein paar Meter weiter im Restaurant länger draußen sitzen dürfen, komme vorher kaum jemand zu ihr, ist Ajnija überzeugt. Ihr wäre schon geholfen, wenn sie zumindest bis 23 Uhr draußen geöffnet haben dürfte – doch selbst das scheint nicht möglich zu sein. Bürgermeister Simon Tschann betont, dass es nicht an der Stadt liege. Die städtische Verordnung besagt, dass man im Sommer bis 24 Uhr den Außenbereich bewirtschaften darf. Nur: Die gewerberechtliche Verordnung ist mächtiger als die Stadtverordnung. „Das ist ein Wahnsinn!“, so Tschann. „Die Stadt spricht sich ganz klar dafür aus, dass man die Gastronomie stärken muss.“ Jedoch sollten alle Gastronomen gleichbehandelt werden. Eine Gesetzesänderung bei den Sperrzeiten befürwortet er.

Ajnija fühlt sich ungleich behandelt: „Das sehe ich nicht ein, wenn die anderen bis 23 Uhr offen haben dürfen und ich nicht.“ Das „Dörflinger“ schließt schon um 18 Uhr: „In Bludenz ist am Abend einfach nicht viel los“, sagt Betreiber Mario Kurzamann. Er ergänzt: „Es rentiert sich einfach nicht.“ Beim „Mabuhay“ dagegen sitzen die Gäste draußen auch mal länger als 22 Uhr.
„Ich habe die Lust am Arbeiten verloren“
„Ich müsste Speisen anbieten, dann dürfte ich auch bis 23 Uhr offen haben – doch ich habe keine Küche“, sagt Ajnija. Als Café müsste sie zudem die Öffnungszeiten nach vorne verlegen – und das will sie nicht.
Noch dazu habe sie Nachbarn, die sich beschweren und Ajnija bei der Polizei anzeigen, wenn es nach 22 Uhr noch laut ist. Das war auch der Anlass, warum Ajnija die Verlängerung der Betriebszeiten beantragt hat – um sich rechtlich abzusichern. Innen hat das „Herr Muk“ bis 2 Uhr geöffnet. „Die Leute sind eben auch mal lauter, das ist normal. Und das ist auch gut so, denn dann läuft mein Geschäft.“

Sie hat viele Stammgäste, viele direkt aus Bludenz. „So macht man Bludenz tot“, ist sie überzeugt. „Ich habe die Lust am Arbeiten verloren. Bis Frühjahr ziehe ich durch – und dann mal schauen. Am besten ist es, aufzuhören. Dabei habe ich hier so gerne gearbeitet.“
NEOS für flexiblere Sperrzeiten
„Das ist realitätsfern“, sagt auch NEOS-Stadtvertreter Ricardo Griesser. „Wenn wir wollen, dass unsere Innenstadt lebt, dann dürfen wir die Betriebe nicht jeden Abend vom Platz fegen, während andere Gemeinden längst flexiblere Lösungen haben. Wir NEOS sind uns sicher, dass es zwischen Gastronomie und Anrainern zu fairen Sperrzeiten kommen kann.“

Zwar gebe es im Land Vorarlberg die Möglichkeit zu längeren Öffnungszeiten, doch die Bezirkshauptmannschaft Bludenz habe in mehreren Fällen deutlich strengere Auflagen verhängt – per Betriebsanlagenbescheid. Die Stadt habe dabei keine rechtliche Handhabe. „Der Stadt sind die Hände gebunden. Wir können die Sperrstundenregelung nicht eigenmächtig ändern.“ Griesser ruft die anderen Parteien im Bludenzer Stadtparlament auf, sich einem parteiübergreifenden Vorstoß anzuschließen: „Jetzt ist die Zeit, gemeinsam für vernünftige Öffnungszeiten im Sommer einzutreten – im Interesse der Betriebe, ihrer Mitarbeiter und unserer Stadt.“