Lebenslang für jungen Russen

Politik / 23.05.2022 • 22:57 Uhr
Der Beschuldigte hat nun 30 Tage Zeit, um Berufung einzulegen. Die Staatsanwaltschaft hatte lebenslange Haft beantragt. ap
Der Beschuldigte hat nun 30 Tage Zeit, um Berufung einzulegen. Die Staatsanwaltschaft hatte lebenslange Haft beantragt. ap

21-jähriger russischer Soldat im ersten Kriegsverbrecherprozess in Kiew verurteilt.

Kiew, davos Im ersten ukrainischen Kriegsverbrecherprozess ist ein 21 Jahre alter russischer Soldat zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Das Gericht in Kiew sah es am Montag nach einem Geständnis des Mannes als erwiesen an, dass der Panzersoldat Wadim Sch. am 28. Februar einen unbewaffneten, 62 Jahre alten Zivilisten erschoss. Nach dem weltweiten Entsetzen über russische Gräueltaten in der Ukraine war dies der erste vor Gericht verhandelte Fall. Der Beschuldigte hat nun 30 Tage Zeit, um Berufung einzulegen. Noch ist das Urteil nicht rechtskräftig. Der international viel beachtete Prozess wirft auch ein Schlaglicht auf das brutale Vorgehen der vor drei Monaten von Kremlchef Wladimir Putin in die Ukraine geschickten russischen Truppen. Der Mann, den der nun verurteilte Russe erschoss, war in dem Dorf Tschupachiwka im Gebiet Sumy im Nordosten der Ukraine mit seinem Fahrrad unterwegs, als Wadim Sch. laut Beweisaufnahme mit einem Kalaschnikow-Sturmgewehr auf ihn schoss. Die Witwe des Ermordeten fand ihren Mann später leblos auf der Straße.

Der fast noch kindlich wirkende Wadim Sch. zeigte in seinem Schlusswort in der vergangenen Woche Reue: „Ich bedauere es. Ich bereue es sehr. Ich habe mich nicht geweigert, und ich bin bereit, alle Maßnahmen zu akzeptieren, die verhängt werden.“ Weil Sch. nur einen Befehl ausgeführt haben will, forderte sein Verteidiger Viktor Owsjannikow Freispruch. „Er hat einen Befehl ausgeführt, wenngleich es ein verbrecherischer Befehl war“, sagte Owsjannikow. Die Staatsanwaltschaft ließ das nicht gelten. „Das ist nur einer von vielen Fällen, die sich nach dem 24. Februar zugetragen haben. Eine Frau hat ihren Mann verloren, Kinder ihren Vater, Enkel ihren Großvater“, sagte Staatsanwalt Andrij Sinjuk. Für die Ukraine ist das erst der Beginn der Aufarbeitung zahlloser Kriegsverbrechen seit Beginn der russischen Invasion vor drei Monaten. Die Vereinten Nationen haben seitdem mehr als 3800 getötete Zivilisten registriert. Die tatsächliche Zahl dürfte deutlich höher sein. Mehr als 6,5 Millionen Menschen sind inzwischen vor dem Krieg in der Ukraine ins Ausland geflüchtet, wie aus das UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR mitteilte.

„Maximale Sanktionen“

Unterdessen rief der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in der Auftaktrede beim Weltwirtschaftsforum in Davos die internationale Staatengemeinschaft zu „maximalen“ Sanktionen gegen Russland auf und forderte weitere Waffenlieferungen. Es dürfe „keinen Handel mit Russland“ mehr geben, sagte der Staatschef am Montag. Notwendig seien auch ein Öl-Embargo sowie Sanktionen gegen alle russischen Banken. Der 44-Jährige bedankte sich auch für die internationale Unterstützung. „Die Welt glaubt an die Ukraine.“ Nach der Rede erhoben sich viele Zuhörer und applaudierten.