Kein Ende der Kämpfe im Donbass

Politik / 10.06.2022 • 22:39 Uhr
Diese Aufnahme zeigt einen Bewohner von Bachmut vor einem zerstörten Schulgebäude. AFP
Diese Aufnahme zeigt einen Bewohner von Bachmut vor einem zerstörten Schulgebäude. AFP

Russen rücken im Südwesten auf Sjewjerodonezk vor, Cholera-Gefahr in Mariupol.

kiew Bei anhaltenden Kämpfen im Donbass sind russischen Truppen nach ukrainischen Angaben auf den Verkehrsknotenpunkt Bachmut südwestlich von Sjewjerodonezk vorgerückt. Die Chemiefabrik in Sjewjerodonezk ist laut Angaben prorussischer Separatisten eingeschlossen. Die Ukrainer klagen über anhaltenden Mangel an schwerer, weitreichender Artillerie, mit der sie russischen Angriffe aufhalten könnten. In der Region Cherson hat die die ukrainische Luftwaffe russische Stellungen attackiert.

Durch den Vormarsch der Russen auf den Straßen- und Bahnknoten Bachmut könnte der Nachschub für das Verwaltungszentrum Sjewjerodonezk abgeschnitten werden. „Der Feind hat in Richtung Wosdwyschenka – Roty angegriffen, teilweise Erfolg gehabt und setzt sich an den eingenommenen Stellungen fest“, teilte der ukrainische Generalstab mit. Die Ortschaften befinden sich nur etwa zehn Kilometer südwestlich von Bachmut. Auch die Straße nach Sjewjerodonezk kann von dort mit schwerer Artillerie beschossen werden.

Chemiefabrik eingeschlossen

Die Chemiefabrik Azot im schwer umkämpften Sjewjerodonezk ist Angaben prorussischer Separatisten zufolge vollständig eingeschlossen. „Eine kleine Gruppe ukrainischer Formationen auf dem Territorium des Azot-Chemiewerks kann die Fabrik nicht mehr verlassen. Alle Fluchtwege sind für sie abgeschnitten“, erklärte der Botschafter der selbst ernannten Volksrepublik Luhansk, Rodion Miroschnik. Miroschnik räumte die Möglichkeit ein, dass sich auf dem belagerten Gelände auch Zivilisten aufhalten könnten. Die ukrainische Seite hatte zuletzt von mehreren Hundert Menschen gesprochen, die die Fabrikkeller als Luftschutzbunker nutzten und nun festsäßen.

In Sjewjerodonezk hiellten die schweren Kämpfe auf dem Boden unvermindert an. Die ukrainischen Streitkräfte hielten nach eigenen Angaben den russischen Angriffen Stand. Ihre Stellungen würden Tag und Nacht beschossen, teilten ukrainische Vertreter mit. Der Kommandant des ukrainischen Swoboda-Bataillons der Nationalgarde, Petro Kusyk, erklärte, dass die ukrainischen Truppen in Straßenkämpfen versuchten, den russischen Vorteil bei der Artillerie wettzumachen. Die ukrainischen Verteidiger litten aber unter einem „katastrophalen“ Mangel an Artillerie-Geschützen. Die Angaben aus den Kampfgebieten können kaum unabhängig überprüft werden.

Die russischen Streitkräfte haben eigenen Angaben zufolge in der Nacht einen Flughafen und eine Panzerfabrik im Osten der Ukraine angegriffen. „Auf dem Flughafen Dnipro wurde mit hochpräzisen Boden-Luft-Raketen Luftfahrttechnik der ukrainischen Streitkräfte vernichtet, im Raum Charkiw Produktionskapazitäten zur Reparatur von Waffentechnik“, sagte der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow. Die ukrainische Armee griff wiederum eigenen Aussagen zufolge russische Stellungen in der Region Cherson im Süden der Ukraine an. Die Luftwaffe habe Angriffe auf Standorte mit Ausrüstung und Personal sowie Felddepots in der Nähe von fünf Ortschaften in der Region geflogen, teilte der Generalstab der ukrainischen Armee mit. Die Region Cherson wird seit den ersten Tagen der russischen Invasion nahezu vollständig von russischen Truppen kontrolliert.

Großbritannien warnte vor einem Cholera-Ausbruch in der von Russland eroberten ukrainischen Hafenstadt Mariupol. Die Gefahr sei sehr hoch, teilte das britische Verteidigungsministerium auf Basis eines Lageberichts des Geheimdienstes mit.Präsident Wolodymyr Selenskyj vermeldete in einer Videoansprache, dass es ukrainischen Streitkräften gelungen sei, in der südöstlichen Region Saporischschja russische Truppen abzuwehren.

Todesurteile abwenden

Die britische Regierung versucht unterdessen, das in der nur von Russland anerkannten Volksrepublik Donezk gegen zwei britische Kämpfer verkündete Todesurteil abzuwenden. Außenministerin Liz Truss habe am Freitag mit ihrem ukrainischen Amtskollegen über die beiden Männer gesprochen, sagte ein Regierungssprecher. Die Zugehörigkeit zur ukrainischen Armee sollte ihnen nach internationalem Recht Schutz bieten. Neben den Briten wurde auch ein Marokkaner zum Tode verurteilt. Die marokkanischen Behörden haben sich bisher nicht zu dem Fall geäußert. Die britischen Staatsbürger Aiden Aslin und Shaun Pinner wurden im April in Mariupol gefangen genommen. Der Marokkaner Brahim Saadoun hatte sich im März während der Kämpfe in einer kleinen Stadt zwischen Mariupol und der Regionalhauptstadt Donezk ergeben.