Julia Ortner

Kommentar

Julia Ortner

Outings für die Quote

Politik / 14.06.2022 • 08:00 Uhr

„Ich dachte, ich suche nach einem Disney-Prinzen… aber vielleicht brauchte ich die ganze Zeit wirklich eine Disney-Prinzessin. Liebe ist Liebe.“ Diese sehr private Botschaft verkündete die australische Schauspielerin Rebel Wilson unter einem Selfie mit ihrer neuen Partnerin Ramona Agruma vergangene Woche auf Instagram, inklusive Regenbogen und Herzerl-Emojis. Klingt wie die Kitsch-Attacke einer Verliebten, ist aber tatsächlich ein erzwungenes Outing einer Prominenten, die bisher mit Männern liiert war. Und diese Nötigung legt nach Wilsons Verkündung ausgerechnet jenes Medium offen, das sie zuvor mit Fragen zu ihrem Privatleben und einer Deadline unter Druck gesetzt hatte. Ein Journalist des „The Sydney Morning Herald“ beklagt sich in einer Kolumne, dass man Wilson zwei Tage Zeit gegeben hätte, die Fragen zu beantworten – und dann wagt die es, ihr Privatleben in der von ihr gewählten Form lieber selbst zu kommentieren, Frechheit!

Journalisten am Rande des Nervenzusammenbruchs wegen heilloser Selbstüberschätzung und völliger Verkennung ihrer Rolle. Und dennoch auch ein typisches Beispiel dafür, dass man heute noch immer versucht, mit Outings Aufmerksamkeit und Quote zu bekommen. Eigentlich ein Instrument aus den 1990er-Jahren, um Bewusstsein zu schaffen – als etwa der homosexuelle Aktivist und Regisseur Rosa von Praunheim die deutschen Publikumslieblinge Hape Kerkeling und Alfred Biolek in einer RTL-Show outete. „Wer wie Kerkeling und Biolek berühmt ist und zu einer Gruppe gehört, die diskriminiert, gemobbt und verprügelt wird, hat kein Privatleben im herkömmlichen Sinn. Sein Privatleben ist immer politisch“, sagte Praunheim, der bis heute diese Haltung vertritt.

Große Ambivalenz

Outing als fragwürdiges Instrument im gesellschaftspolitischen Diskurs – sehr unangenehm. Aber auch abseits dessen gibt es eine große Ambivalenz im Umgang mit der LGBTIQ-Community, also der Community von lesbischen, schwulen, bisexuellen, transgender, intergeschlechtlichen und queeren Personen. Wir leben in einer Zeit, in der 250.000 Menschen in Partylaune bei der Wiener Regenbogenparade vergangenen Samstag gemeinsam für Respekt und gleiche Rechte für alle demonstrieren.

Und wir leben in einer Zeit, in der Diskriminierung und Hassverbrechen für die Community noch immer Realität sind, wie auch die große Studie der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte 2020 aufzeigt: 43 Prozent aller Befragten in den europäischen Mitgliedsstaaten erfuhren persönlich Diskriminierung oder Belästigung wegen ihrer sexuellen Orientierung. Elf Prozent der Homosexuellen und 17 Prozent der Transgender-Personen wurden sogar körperlich oder verbal angegriffen.