Neuwahlen im Herbst möglich

Politik / 20.07.2022 • 22:47 Uhr
95-mal Ja, 39-mal Nein: Am Ende gewann Draghi zwar eine Vertrauensabstimmung, verlor jedoch seine Regierungsmehrheit. AFP
95-mal Ja, 39-mal Nein: Am Ende gewann Draghi zwar eine Vertrauensabstimmung, verlor jedoch seine Regierungsmehrheit. AFP

Italiens Regierungschef Draghi gewinnt Vertrauensvotum, verliert aber Regierungsmehrheit.

rom Der Vorhang fällt über der Regierung Draghi in Rom. Am Ende eines dramatischen Tages im Senat hat der italienische Premier Mario Draghi zwar eine Vertrauensabstimmung gewonnen, er verlor jedoch seine Regierungsmehrheit. Das Vertrauensvotum gewann Draghi mit 95 Ja-Stimmen und 38 Gegenstimmen. Die drei großen Koalitionsparteien Fünf Sterne, Lega und Forza Italia nahmen aber nicht an der Vertrauensabstimmung teil.

Damit scheiterten Draghis Pläne, nach einer Regierungskrise vergangene Woche seine Koalition zusammenzuhalten, um bis zum Ende der Legislatur im Frühjahr 2023 im Sattel zu bleiben. Nach dem Votum wird Draghi voraussichtlich am Donnerstag Präsident Sergio Mattarella aufsuchen, um ihm seinen Rücktritt anzubieten. Mattarella könnte sich einige Tage Zeit nehmen, um über das weitere Prozedere zu entscheiden.

Sollte Draghi definitiv zurücktreten, entfällt eine für Donnerstag geplante Abstimmung in der Abgeordnetenkammer, bei einem Verbleib des Premiers wird sie aber stattfinden.

Herbstwahlen, ein Unikum

Italien dürfte aber jetzt auf Neuwahlen im Herbst zusteuern, ein Unikum in einem Land, in dem bisher stets im Frühjahr gewählt wurde. Als mögliche Wahltermine gelten der 25. September oder der 2. Oktober.

In seiner Rede vor dem Vertrauensvotum hatte der parteilose Ökonom Draghi die zerstrittenen Regierungsparteien aufgefordert, sich geschlossen hinter ihn und die Regierung zu stellen. Der Ministerpräsident hob in seiner Ansprache die Notwendigkeit hervor, die Koalition neu aufzustellen, die seine Regierung bisher unterstützte. „Sind die Parteien zum Neustart des Regierungspakts bereit? Das ist die Antwort, die Sie allen Italienern geben müssen“, so Draghi.

„Der einzige Weg – wenn wir noch zusammenbleiben wollen – ist, diesen Vertrauenspakt unter den politischen Kräften der Regierungsmehrheit wieder aufzubauen, mit Mut und Glaubwürdigkeit“, forderte Draghi, der im Senat um das Vertrauen der Parlamentarier warb. Der Ministerpräsident erläuterte die bisher erreichten Ziele seiner Regierung, die seit Februar 2021 im Amt ist und geschaffen wurde, um das Land aus der Corona-Pandemie und der wirtschaftlichen Krise herauszuführen.

In den letzten Wochen war der Zusammenhalt in der Koalition laut Draghi ins Wanken geraten. Der Beschluss der Fünf-Sterne-Bewegung, vergangene Woche nicht an einer Vertrauensabstimmung teilzunehmen, bedeute das Ende des Paktes, der die Koalition bisher zusammengehalten habe. Daraufhin hatte Draghi seinen Rücktritt angeboten, Staatschef Mattarella lehnte diesen jedoch ab und schickte ihn ins Parlament, um sich dort zu rechtfertigen.

Große Aufgaben

Italien muss im zweiten Halbjahr 2022 noch wichtige Reformen umsetzen, um sich die EU-Gelder des Corona-Wiederaufbaufonds aus Brüssel in Milliardenhöhe zu sichern. Außerdem muss das Land den Haushalt für 2023 planen.

„Der einzige Weg ist, diesen Vertrauenspakt wieder mit Mut aufzubauen.“