Die Achse Peking-Moskau

Politik / 10.08.2022 • 22:49 Uhr

Die Reise der „Nummer Drei“ in Washington, der Parlamentspräsidentin Nancy Pelosi nach Taiwan war aus der Sicht vieler Kommentatoren eine unnötige, ja gefährliche Provokation gegenüber Peking. Andere – und offensichtlich auch die amerikanische Administration selbst – rechtfertigen diesen hochpolitischen Ausflug in die umstrittene Inselrepublik als kühne Bekräftigung eines Prinzips: Die in Stein gemeißelte Unterstützung der USA für Taiwan angesichts der aggressiven „Anschluss“-Rhetorik Chinas. Selbst harmlose Kleinststaaten, wie beispielsweise Litauen, mit seiner Bevölkerung von nur 2,6 Millionen kriegten die Rute Pekings zu spüren, als Taiwan in der Hauptstadt Vilnius ein winziges Verbindungsbüro eröffnete. China riss das Maul erwartungsgemäß weit auf mit der Drohung, man werde Pelosis Reise „nicht tatenlos hinnehmen“. Doch diese „Taten“ erschöpften sich in rhetorischem Säbelrasseln, in den üblichen Flottenmanövern, Raketenstarts und Überflügen von Kampfjets an der Peripherie der Insel Taiwan. 

Was die Reise Pelosis tatsächlich an den Tag legte, war Präsident Bidens Hilflosigkeit gegenüber der Taiwan-Frage. Zu den schärfsten Beobachtern des geographisch so weit entfernten Ukraine-Kriegs gehört Taiwan. Die Umarmung der beiden Despoten Xi Jinping und Wladimir Putin mit dem feierlichen Gelübde der „grenzenlosen Freundschaft“ wurde in Taiwan, das seit 1949 unabhängig von Festland-China existiert, nicht als Rhetorik sondern als handfeste Drohung verstanden. Für Taiwan wäre eine amphibische Invasion über die 180 Kilometer breite Meerenge mit anschließender Besetzung das brutale Ende einer blühenden Demokratie, ein Verlust für Asien und die Welt, deren Wirtschaft auf die führende Computerchip-Technologie und Industrie dringend angewiesen ist. Die wichtigste Lehre für Taiwan aus dem Ukraine-Krieg: Drohungen einer mächtigen Diktatur sind ernst zu nehmen und dürfen keinesfalls als Rhetorik abgetan werden.

Dieser Krieg hat in Peking zweierlei bewirkt: China musste erkennen, dass die Invasion eines kleinen, scheinbar unterlegenen Landes kein Sonntagsspaziergang ist, wenn Widerstandswille und Patriotismus überwiegen. Zweitens muss sich Moskau hilfesuchend an Peking wenden. Denn heute ist China dem weltweit isolierten Russland wirtschaftlich haushoch überlegen. Moskau steht mit dem Hut in der Hand vor der Tür Pekings, das unverhohlen auf die russischen Absatzmärkte und die immensen Rohstoffreserven schielt.

„Moskau steht mit dem Hut in der Hand vor der Tür Pekings.“

Charles E.
Ritterband

charles.ritterband@vn.at

Dr. Charles E. Ritterband ist Journalist und Autor sowie langjähriger Auslandskorrespondent der Neuen Zürcher Zeitung (seit 2001 in Wien).