Wahlkampf-Trauerspiel
Alexander Van der Bellen hat es geschafft. Der Amtsinhaber hat die Bundespräsidentschaftswahl vergleichsweise locker schon im ersten Wahlgang für sich entschieden. Besonders deutlich fiel sein Triumph in Vorarlberg aus. Dass Van der Bellen einer direkten Konfrontation mit seinen Herausforderern im Vorfeld aus dem Weg ging, war offenbar die für ihn richtige Entscheidung. Gelitten hat in diesem Wahlkampf allerdings die inhaltliche Auseinandersetzung, und das nicht zu knapp.
Die Gegenkandidaten Van der Bellens fielen mit teils haarsträubenden Aussagen auf: Da war von CIA-Verschwörungstheorien zu hören, von EU-Austrittfantasien, von der „Corona-Hysterie“ und „Corona-Diktatur“, vom bösen Binnen-I und so weiter und so fort. Viele Herausforderer überboten sich auch mit Ankündigungen, im Fall eines Wahlsiegs die Bundesregierung sofort entlassen zu wollen. Ob sich alle verantwortungsvoll die Schlüsselfrage „Was dann?“ stellen, wie es jeder Bundespräsident nach Aussagen des Politologen Peter Filzmaier immer tun sollte, bleibt dahingestellt. Zur internationalen Blamage trägt bei, dass unter sieben Kandidaten keine einzige Frau ist. Und das im Jahr 2022.
Zur internationalen Blamage trägt bei, dass unter sieben Kandidaten keine einzige Frau ist. Und das im Jahr 2022.
Dabei ist der Bundespräsident kein Frühstücksdirektor, kein Grüßaugust. Die Verfassung gibt ihm bedeutende Kompetenzen in die Hand. Zwar besteht der politische Grundkonsens in einer Art „Rollenverzicht“, diese nicht auszureizen, auch ist der Präsident bei fast allen Tätigkeiten an den Vorschlag eines anderen Organs gebunden. Aber welche wichtige Rolle das Staatsoberhaupt in turbulenten Zeiten spielt, hat nicht zuletzt die Ibiza-Krise und ihre Folgen – Stichwort: Expertenregierung – gezeigt. Umso unwürdiger war dieses Wahlkampf-Trauerspiel der letzten Wochen. Das ist dem Amt nicht gerecht geworden.
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