Der Krieg als “Zivilisationsbruch”

Politik / 29.11.2022 • 22:37 Uhr
Über 16.000 russische Raketen sollen seit Kriegsbeginn in der Ukraine eingeschlagen sein, wie hier in der Hafenstadt Mariupol.AFP
Über 16.000 russische Raketen sollen seit Kriegsbeginn in der Ukraine eingeschlagen sein, wie hier in der Hafenstadt Mariupol.AFP

Der Westen versucht weitere Hilfen für die Ukraine zu mobilisieren.

Kiew, Bukarest Immer neue Raketen und Gefechte, Stromausfälle und Kälte: Wegen der Angriffe auf zivile Ziele in der Ukraine wirft die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock Russland jetzt sogar einen „Bruch der Zivilisation“ vor – ein Begriff, der oft im Zusammenhang mit dem Holocaust verwendet wird. Ein solches Vorgehen sei für sie lange unvorstellbar gewesen, sagte die Grünen-Politikerin am Dienstag bei einem NATO-Treffen in Bukarest. Der Westen versucht nun, für die Ukraine weitere Hilfe zu mobilisieren.

Am Dienstagmittag wurde über der gesamten Ukraine Luftalarm ausgelöst. In der Hauptstadt Kiew dauerte der Alarm zwölf Minuten. Bereits in der Nacht waren nach ukrainischen Angaben vier Raketen in der Großstadt Dnipro eingeschlagen und hatten Produktionsanlagen eines Unternehmens schwer beschädigt. Dabei sei aber niemand verletzt oder getötet worden. Auch die weiter südlich gelegene Stadt Nikopol am Fluss Dnipro sei beschossen worden.

Das russische Verteidigungsministerium sprach seinerseits von weiteren Angriffen auf ukrainische Truppen an der Front im Gebiet Donezk, wo seit Monaten um die Städte Bachmut und Awdijiwka gekämpft wird. Der ukrainische Generalstab bestätigte massive russische Truppenkonzentrationen an diesen Abschnitten. Ein Stück weiter nördlich bei den Städten Kupjansk und Lyman wehrten russische Truppen nach Moskauer Angaben ukrainische Angriffe ab. Das passt zu ukrainischen Angaben, dass dort die Russen in der Defensive seien. Die Angaben der Kriegsparteien sind kaum unabhängig zu bestätigen.

16.000 Raketen seit Kriegsbeginn

Russland hatte die Ukraine am 24. Februar überfallen. Seit Tagen befürchtet die Regierung in Kiew weitere massive Attacken mit Langstreckenraketen wie vergangene Woche, als fast im ganzen Land die Stromversorgung zusammenbrach. Weil ständig Kraftwerke und Leitungen zerstört werden und wieder repariert werden müssen, gibt es vielerorts oft bei Eiseskälte nur stundenweise Strom oder Heiz­wärme.

Der ukrainische Verteidigungsminister Olexij Resnikow hatte dazu am Montag ungewöhnliche Zahlen genannt: Seit Kriegsbeginn habe Russland mehr als 16.000 Raketen eingesetzt. In 97 Prozent der Fälle seien zivile Ziele ins Visier genommen worden. „Wir kämpfen gegen einen terroristischen Staat“, schrieb Resnikow auf Twitter. Seine Zahlen decken sich allerdings nicht mit denen Selenskyjs. Der Präsident hatte vor einer Woche von knapp 4700 Raketen seit Kriegsbeginn gesprochen.

Um Ermittlungen zu den in der Ukraine verübten Kriegsverbrechen besser zu koordinieren, berieten sich die Justizminister der G7-Staaten in Berlin. Opfer, die Zeugenaussagen machten, sollten zu ihren Erlebnissen beispielsweise nicht mehrfach aussagen müssen, bilanzierte der deutsche Justizminister Marco Buschmann (FDP).