Neue Ära
Ich schreibe diese Zeilen aus New York – einer Stadt, die in diesen Weihnachts- und Neujahrstagen nicht nur von einer Jahrhundert-Kältewelle, sondern von einem Aufflammen brutaler Gewalt auf den Straßen geprägt ist. Der Ausspruch des amerikanischen Präsidenten passt zur Morgendämmerung des Jahres 2023 – und zum Abschluss des katastrophalen Jahres 2022, das uns nach der Pandemie auch noch den ersten großen Krieg in Europa bescherte und die nukleare Bedrohung zu real erschienen ließ wie nie zuvor seit Ende des Kalten Krieges: Joe Biden spricht von einer „entscheidenden Dekade“. Tatsächlich wurde „Rule America“, das drei Jahrzehnte überdauernde Monopol der Supermacht USA, durch die doppelte Herausforderung durch Russland und China in den Grundfesten erschüttert. Erstmals steht der Einsatz nuklearer Waffen nicht als letzte, gewissermaßen verzweifelte Option nach Scheitern aller anderen im Raum, sondern als möglicher Eröffnungszug im brutalen Wettkampf der Großmächte.
Das Monopol der Supermacht USA wird unterminiert
Russland wird hier in Amerika als das „akute“ Problem eingestuft – das langfristige, wesentlich größere Problem schleicht sich wie ein gigantischer Drache heran: China. Die Interdependenz zwischen dem Westen und seiner gigantischen Produktionsstätte China ist immens und wächst ungehemmt weiter – und die zweite, auf uns zurollende Covid-Welle aus China ist unabsehbar. Was, wenn die bei Beginn des Ukraine-Kriegs beschworene „unbegrenzte Freundschaft“ zwischen Peking und Moskau sich angesichts der Rückschläge in diesem Krieg zu einer militärischen Allianz auswächst?
China baut sein Nukleararsenal stetig aus und wird im Jahr 2035 nach Schätzungen von Pentagon-Strategen die Zahl von 1500 Sprengköpfen erreichen und so mit Russland und den USA gleichziehen. Das könnte zu einem neuen Wettrüsten nach Muster des Kalten Kriegs führen – nur dass jetzt drei statt zwei Akteure beteiligt sind und andererseits das Militärbudget der USA in Proportion zum Bruttosozialprodukt einen historischen Tiefpunkt erreicht hat. Im Gegensatz dazu hat das pazifistische Japan eine Verdoppelung seiner Rüstungsausgaben innerhalb der nächsten fünf Jahre angekündigt – ein deutliches Indiz für die Bedrohungsszenarien im asiatischen Raum: In den letzten Tagen war ungeachtet des Aufflammens der Covid-Epidemie in China eine besorgniserregende Intensivierung der militärischen Provokationen Pekings gegenüber Taiwan festzustellen.
Während die USA mehr und mehr Waffen für die Ukraine bereitstellen fehlt es an einer kohärenten – wirtschaftlichen – Strategie gegenüber dem Rest der Welt.
Putin hat es nicht geschafft, die westliche Militärallianz zu spalten – im Gegenteil, er hat deren Zusammenhalt unfreiwillig verstärkt. Doch die weniger entwickelten Länder des Südens stehen der USA und der Nato skeptisch gegenüber. Während die USA mehr und mehr Waffen für die Ukraine bereitstellen, fehlt es an einer kohärenten – wirtschaftlichen – Strategie gegenüber dem Rest der Welt. Dies könnte die Stärke Amerikas, zusätzlich zu den Herausforderungen vonseiten Russlands und Chinas, unterminieren.
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