Kickl gehört gefordert
FPÖ-Chef Herbert Kickl ist noch nicht Kanzler. Gewählt wird möglicherweise erst im Herbst 2024 und bis dahin kann viel passieren. Zum Beispiel, wenn verstärkt wird, was allmählich beginnt: Eine Auseinandersetzung mit dem 54-Jährigen. Bisher ist er unterfordert, ja ignoriert worden.
„Sollte er damit wirklich Kanzler werden können, wäre es eine politische Bankrotterklärung.“
Bei Jörg Haider, einem seiner Vorgänger, hieß es immer wieder, man möge ihn missachten. In Wirklichkeit war es jedoch wichtig, dass man sich mit den Forderungen beschäftigte, die er etwa vor genau 30 Jahren bei einem Anti-Ausländer-Volksbegehren erhob. Erst das führte zu einem Problembewusstsein bei einer Masse und zum Lichtermeer. Dass vieles im Laufe der Zeit mit schwarzer oder roter Hilfe umgesetzt wurde, ist kein Gegenargument. Es zeigt, wie wichtig es ist, dranzubleiben; nicht nur bei Freiheitlichen.
Kickl hatte es bisher zu einfach. Er hätte Urlaub machen können, seine Partei hätte trotzdem zugelegt. Der Zuspruch für sie ist das Ergebnis einer Enttäuschung über Türkise und einer Ernüchterung über Rote, die ohne Alternativprogramm dastehen. Da gewinnt die FPÖ automatisch als Absage an die, die sie gezielt als „Systemparteien“ bezeichnet.
Kickl hat sich zuletzt nicht auf die faule Haut gelegt, sondern provoziert. Auf einem Plakat spricht er sich mit militärisch anmutender Kleidung dafür aus, die Grenzen zu schließen und Österreich zu einer Festung zu machen. Erst allmählich, diese Woche etwa in einem ZIB2-Interview, wird er darauf angesprochen. Dabei gehört umfassend darüber geredet: Hier will einer nicht nur ausgrenzen, sondern auch einsperren. Wenn es sein muss, mit Gewalt. Das wird durch sein Outfit angedeutet.
Österreich wäre erledigt, wenn er sich damit durchsetzt. Bald würden ältere Menschen sterben, nur weil keine ausländischen Pflegerinnen mehr kommen. Unternehmen müssten zusperren, weil noch mehr Fachkräfte fehlen. Das ist nicht übertrieben. Es ist das, worauf es hinausläuft, wenn die Kampagne beim Wort genommen wird. Es muss daher ausgesprochen werden. Damit hinterher niemand sagen kann, er hätte es nicht gewusst.
Es ist auch sträflich, dass Kickl Führender in Umfragen sein kann, obwohl er den Eindruck erweckt, dass die Teuerung hausgemacht sei und das Problem durch den Finanzminister erledigt werden könnte. Oder dass seine Linie weitgehend unwidersprochen bleibt, Klima- wie Pensionspolitik sei ein Luxus, den man sich leisten kann, aber sein lassen muss, wenn es ein bisschen ungemütlich wird: Sollte er damit wirklich Kanzler werden können, wäre es eine politische Bankrotterklärung.
Johannes Huber betreibt die Seite dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik.
Kommentar