Eine Rede für alle außer der FPÖ

Politik / 30.03.2023 • 22:28 Uhr
Die FPÖ drehte dem Staatsoberhaupt aber sofort den Rücken zu.APA
Die FPÖ drehte dem Staatsoberhaupt aber sofort den Rücken zu.APA

Der Präsident der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj, mit einer Ansprache an den Nationalrat.

WIEN Die Freiheitliche Partei Österreichs – jene, die mit der Partei von Russlands Präsident Wladimir Putin einen Freundschaftsvertrag abgeschlossen hat – zollt Wolodymyr Selenskyj keinen Respekt. Bei den ersten Worten des Präsidenten der Ukraine verlassen die Abgeordneten von Klubobmann Herbert Kickl ihre Plätze. Sie hinterlassen im Nationalratssitzungssaal nur kleine Schilder: „Platz für den Frieden“ oder „Platz für Neutralität“ steht dort geschrieben. Kickl hatte bereits gestern einen „freiheitlichen Protest“ angekündigt, die parlamentarische Veranstaltung sei ein „Anschlag auf die österreichische Neutralität“.

Doch eine Rede von Wolodymyr Selenskyj ist natürlich mit der Neutralität vereinbar. Das betonte auch Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) in seiner Ansprache: „Das offizielle Österreich ist zwar militärisch neutral, nicht aber politisch.“ Er hielt gegenüber Selenskyj außerdem fest, dass „die politische, finanzielle und humanitäre Unterstützung der Ukraine für die Österreicherinnen und Österreicher ein großes Anliegen“ sei. Österreich habe die Ukraine bisher mit über 129 Millionen Euro an finanzieller und humanitärer Hilfe unterstützt: „Wir werden diese Hilfe weiter fortsetzen.“

Rede live aus Kiew

Darum bat auch Selenskyj in seiner anschließenden Rede. Circa zehn Minuten live aus Kiew, von wo er plädierte, „moralisch nicht neutral gegenüber dem Bösen zu sein“. Seinem Land gehe es nicht um Geopolitik („Wir möchten uns nicht in das Leben anderer Länder einmischen“) oder um militärisch-politische Angelegenheiten: „Es geht darum, dass ein Mensch immer ein Mensch bleiben muss.“

Als einer der letzten EU-Staaten hatte Österreich Selenskyj die Möglichkeit gegeben, vor dem nationalen Parlament zu sprechen. Bereits vergangenes Jahr – kurz nach Kriegsbeginn – hatten die Neos eine diesbezügliche Initiative gestartet, waren aber wegen einer Blockade der FPÖ in der Präsidiale gescheitert. Nun klappte es doch, der Präsident der Ukraine nutzte die Gelegenheit, um die Situation in seinem Land darzustellen: Es sei ein „totaler Krieg Russlands gegen unsere Menschen“, an dem jeden Tag Menschen ihre Leben verlieren würden.

Nicht nur in Kampfhandlungen würden Menschen getötet, sondern auch danach. 174.000 Quadratkilometer, etwa die doppelte Fläche Österreichs, seien durch Minen und nicht-explodierte Geschosse kontaminiert. Hunderttausende Minen, Granaten und Sprengfallen seien von den Russen in Gebäuderuinen, Feldern und Gärten hinterlassen worden.

Vier-Parteien-Kritik

Die anderen Fraktionen wiesen in ihren anschließenden Redebeiträgen die Freiheitlichen zurecht. Selbstverständlich sei Selenskyjs Rede mit der Neutralität vereinbar, betonte der außenpolitische Sprecher der ÖVP, Reinhold Lopatka. Er kritisierte, dass die FPÖ-Abgeordneten dem ukrainischen Präsidenten den Rücken gekehrt hatten. Die Ukraine habe sich „mutig und entschlossen“ dem Aggressor Russland entgegengestellt – „das verdient Respekt“.

„Wenn hier im Hohen Haus jemand die Neutralität verrät, dann ist es die FPÖ“, meinte auch die außenpolitische Sprecherin der Grünen, Ewa Ernst-Dziedzic. Die FPÖ entziehe sich dem demokratischen Diskurs, und „das ist eine Schande“, betonte sie. „Österreich ist solidarisch an der Seite der angegriffenen Ukraine.“

Gegen ein Event des Präsidenten

Die Abgeordneten der FPÖ verfolgten all diese Wortmeldungen nicht, wie auch ungefähr die Hälfte der Abgeordneten aus dem sozialdemokratischen Klub, die das teilweise auch mit einem Blick auf die Neutralität begründeten. Einer von ihnen war Reinhold Einwallner, der im Gespräch mit den Vorarlberger Nachrichten im Anschluss an die Rede auf das Setting der Veranstaltung verwies: „Es war eine Veranstaltung des Präsidenten.“ Dass Selenskyj bei den Reaktionen der Klubs nicht mehr zuhörte, findet der 49-Jährige „schade“, die Rede selbst hätte er aber gut gefunden: „Und ich verurteile natürlich den russischen Angriffskrieg“, trotz Österreichs Neutralität.

Diese forderten übrigens auch Demonstranten vor dem Parlament ein, unter anderem hatte sich die MFG dort platziert. Und während diese für einen Frieden mit Russland skandierten, rief Wolodymyr Selenskyj: „Slawa Ukrajini!“. Oder wie die Dolmetscherin übersetzte: „Ruhm der Ukraine!“ MAX

Live aus Kiew zugeschalten war der Präsident der Ukraine im Sitzungssaal des Nationalrats.WERNER
Live aus Kiew zugeschalten war der Präsident der Ukraine im Sitzungssaal des Nationalrats.WERNER