Ukraine sieht veränderte Taktik

Russland soll gezielt Wohnhäuser wegen Gegenoffensive attackieren.
kiew Kurz vor ihrer geplanten Frühjahrsoffensive hat die Ukraine Russland vorgeworfen, gezielt Wohngebiete zu attackieren. „Es gibt keinen Zweifel daran, dass sie direkte Angriffe eben auf zivile Mehrfamilienhäuser oder Orte ausführen, an denen es viele Häuser der Zivilbevölkerung gibt“, sagte Präsidentenberater Mychajlo Podoljak im ukrainischen Fernsehen.
Mehrere Angriffe mit zivilen Opfern
Die Ukraine will in Russlands jüngsten Militärschlägen eine veränderte Taktik erkannt haben. Die direkten Angriffe auf zivile Häuser und Orte sollten Kiew zu einer verfrühten Gegenoffensive provozieren, meinte Berater Podoljak. Dazu wolle der Kreml testen, ob die Ukraine in der Lage sei, den eigenen Luftraum zu schützen.
In den vergangenen Tagen hatte es mehrere Raketenangriffe mit zivilen Opfern gegeben. Insbesondere in Uman forderte ein Raketeneinschlag in einem Wohnhaus am Freitag viele Todesopfer. Auch in der Stadt Pawlohrad im Gebiet Dnipropetrowsk verursachten russische Marschflugkörper schwere Schäden und töteten mindestens zwei Menschen.
Die Ukraine verlängerte unterdessen das nach dem russischen Einmarsch verhängte Kriegsrecht und die ausgerufene allgemeine Mobilmachung um weitere 90 Tage bis zum 18. August. Für die Anordnungen ergab sich im Parlament eine deutliche Zweidrittelmehrheit, wie Abgeordnete mitteilten. Kriegsrecht und Mobilmachung waren nach dem russischen Einmarsch am 24. Februar 2022 ursprünglich für 30 Tage ausgerufen worden. Seitdem wurde die Geltungsdauer mehrfach verlängert. Männer im wehrpflichtigen Alter zwischen 18 und 60 Jahren dürfen das Land nur in Ausnahmefällen verlassen.
Mit ihrer Bitte nach ausländischen Kampfjets war die Ukraine bislang im Westen noch nicht erfolgreich. Das werde sich nach Einschätzung von Außenminister Dmytro Kuleba aber ändern: Es sei eine „Frage der Zeit“, bis die USA der Lieferung von F-16-Kampfflugzeugen zustimmen würde. Er meinte, ein Erfolg der ukrainischen Gegenoffensive habe Einfluss auf das Vorgehen Amerikas in der Sache. „Wenn wir die F-16 bereits jetzt hätten, wäre die Gegenoffensive weitaus schneller“, sagte er.
Beim nächsten NATO-Gipfel im Juli droht Kiew indes eine Enttäuschung hinsichtlich einer möglichen Mitgliedschaft im Militärbündnis. Nach dpa-Informationen haben zuletzt Bündnismitglieder wie die USA und Deutschland hinter verschlossenen Türen deutlich gemacht, dass sie vorerst keine Zusagen machen wollen, die substanziell über eine vage NATO-Erklärung von 2008 hinausgehen. In ihr hatten die damaligen Staats- und Regierungschefs vereinbart, dass die Ukraine und Georgien NATO-Mitglieder werden sollen. Einen konkreten Zeit- oder Fahrplan dafür gab es allerdings nicht.