Sicherheitsrisiko
In der Schweiz sieht die Bevölkerung eher eine Bedrohung der nationalen Sicherheit durch den russischen Angriff auf die Ukraine als in Österreich. Bei den Nachbarn begrüßen 79 Prozent der Menschen die EU-Sanktionen gegen Russland, hierzulande handelt es sich lediglich um 55 Prozent. Jenseits des Rheins unterstützen 65 Prozent die militärische Hilfe der Europäischen Union für die Ukraine, diesseits des Rheins tun es gerade einmal 40 Prozent. Es ist kaum zu glauben, aber das Ergebnis der jüngsten Eurobarometer-Befragung.
„Kickl und Putin dürfen sich die Hände reiben: Die Stimmung in Österreich entwickelt sich ganz nach ihrem Geschmack.“
Erwartet hätte man Gegenteiliges. Zumal die Schweiz nicht EU-Mitglied und wirklich neutral ist. Genau das aber führt wohl zur Erklärung: Eidgenossen beschäftigen sich seit Generationen ernsthaft mit ihrer Sicherheit.
In Österreich tut man das nicht. Hier hat man sich an Meldungen gewöhnt, wonach das Heer nicht einsatzfähig sei. Hat man sich eingeredet, dass das egal sei, weil man von Nato-Staaten umgeben ist und nichts passieren könne. Man wiegt sich in falscher Sicherheit. Auch heute, im zweiten Jahr des Krieges.
Jetzt wird ein europäisches Risiko daraus: Das globale Nachrichtenmagazin „Economist“ zählt Österreich zu den nützlichen Idioten des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Auf die Alpenrepublik kann er tatsächlich setzen. Nicht nur, weil die FPÖ vor ein paar Jahren einen Freundschaftsvertrag mit seiner Partei eingegangen und Ex-Außenministerin Karin Kneissl auf ihrer Hochzeit in die Knie gegangen ist vor ihm. Nicht nur, weil die wirtschaftlichen Beziehungen nach wie vor einigermaßen funktionieren.
Es ist vielmehr so, dass in Österreich der Wind dreht. Die Bundesregierung hat es verabsäumt, wenigstens jetzt eine Sicherheitsdebatte zu führen. Sie hat es verabsäumt, wenigstens jetzt eine Neutralitätsdebatte zu eröffnen.
Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hat einer solchen ausdrücklich eine Absage erteilt. Herauskommt, dass so gar kein Bewusstsein da ist – weder für das, was in der Ukraine läuft, noch für die Betroffenheit Österreichs.
FPÖ-Chef Herbert Kickl und Putin dürfen sich die Hände reiben: Die Stimmung in der Bevölkerung entwickelt sich ganz nach ihrem Geschmack. Hält der Trend an, ist bald eine Mehrheit gegen die Sanktionen, sind demnächst vielleicht zwei Drittel gegen eine Unterstützung der Ukraine.
Das macht Österreich zu einem europäischen Sicherheitsrisiko: Wäre das Land nicht in der EU, wäre alles halb so schlimm. So aber muss damit gerechnet werden, dass es früher oder später beginnt, innerhalb der EU im Sinne von Putin ganz massiv zu blockieren. Sei es unter einem Kanzler Kickl oder unter Nehammer, der letzten Endes ja dazu tendiert, sich von Stimmungen treiben zu lassen bzw. normal zu finden, was eine Mehrheit wünscht.
Johannes Huber betreibt die Seite dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik.
Kommentar