Johannes Huber

Kommentar

Johannes Huber

Rote Leere

Politik / 21.10.2023 • 08:00 Uhr

Mario Leiter sieht sich als neuer Chef der Vorarlberger SPÖ gleich einmal gezwungen durchzugreifen: Gelder für die Sozialistische Jugend (SJ) im Land werden mit sofortiger Wirkung gestrichen, ein Parteiausschluss gegen zwei führende Funktionär:innen werde eingeleitet, wie er wissen lässt. Grund: Die SJ hatte eine Botschaft geteilt, in der von einem „Überraschungsangriff“ der Hamas am 7. Oktober die Rede ist und es bezugnehmend auf darauffolgende Reaktionen in der westlichen Welt heißt: „Nieder mit der Heuchelei – für die Verteidigung von Gaza!“

„Die SJ Vorarlberg hat unfreiwillig deutlich zum Ausdruck gebracht, wie sehr sich die Sozialdemokratie außenpolitisch abgemeldet hat.“

Auch der Bundespartei ging das zu weit. Sie distanzierte sich davon. Der Schaden bleibt jedoch: Die SJ Vorarlberg brachte unfreiwillig deutlich zum Ausdruck, wie sehr sich die Sozialdemokratie außenpolitisch abgemeldet hat. So wie es die Abwesenheit der Hälfte ihrer Abgeordneten bei der Rede des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj vor dem Nationalrat getan hatte. Das war ebenfalls ein Statement. Und zwar, dass es in Teilen der Partei eine Kombination aus Anti-Amerikanismus und Sowjetnostalgie gibt.

Beim Nahostkonflikt tritt an die Stelle der Sowjetnostalgie eine uneingeschränkte Verbundenheit mit den Palästinensern. Das ist etwas ganz anderes. Der Punkt ist jedoch, dass es der Fähigkeit im Weg steht, die Hamas als das zu bezeichnen, was sie ist (eine Terrororganisation) und die Ereignisse vom 7. Oktober als das zu benennen, was sie waren: ein Pogrom, bei dem Zivilisten getötet, gequält und entführt wurden.

Natürlich: Die SPÖ mit Andreas Babler an der Spitze signalisiert, weiter zu sein. Gemeinsam mit den Vorsitzenden der übrigen Parlamentsparteien verurteilte er das Verbrechen der Hamas vor zwei Wochen „auf das Schärfste“ und betonte, „mit Israel im Kampf gegen den Terror Seite an Seite“ zu stehen. Das war und ist aber nur eine angemessene (erste) Pflichtübung, die ganz besonders für die Sozialdemokratie nicht ausreichend ist.

Einst hat sie sich für die Palästinenser engagiert und jetzt diese Verurteilung: Die SJ Vorarlberg zeigte, dass das nicht für alle in ihren Reihen zusammenpasst. Sie sind unfähig, den Pogrom als unentschuldbaren Pogrom zu sehen. Hier besteht Klärungsbedarf. Umgekehrt kann es sich die Partei genauso wenig wie das offizielle Österreich leisten, den Eindruck zu erwecken, den Krieg, den Israel führt, bedingungslos zu unterstützen.

Es ist befremdlich und wird anspruchsvoller Außen-, ja aktiver Neutralitätspolitik nicht gerecht: Selbst US-Präsident Joe Biden versucht, Israel in seiner Wut zu bremsen, und betont, dass eine Besetzung von Gaza ein schwerer Fehler wäre. Aus Österreich kommt nichts dergleichen. Das ist seltsam. Passender wäre es bei aller Härte gegen die Hamas, sich darum zu bemühen, dass es zu keinem Flächenbrand kommt.

Wo bleibt die gute alte Vermittlerrolle? Hier wäre sie gefragt. Auch um riesige Fluchtbewegungen zu verhindern. Zumindest das könnte der SPÖ ein Hinweis sein: Wenn eine solche kommt, kann ein Andreas Babler, der nicht einmal nachweisen kann, all die Bedrohungen erkannt und im Rahmen seiner bescheidenen Möglichkeiten gegengesteuert zu haben, als Kanzlerkandidat überhaupt einpacken. Dann ist Herbert Kickl mit seiner „Festung Österreich“ bei 40 Prozent.

Johannes Huber betreibt die Seite dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik.