So steht es um die Demokratie in Österreich

Politik / 24.10.2023 • 17:05 Uhr
So steht es um die Demokratie in Österreich
Mit dem Zustand der österreichischen Demokratie beschäftigt sich der „Demokratie-Index”, Lucia Emerich-Rüdisser sich unter anderem mit Bürgerräten in Vorarlberg. Parlamentsdirektion/Michael Buchner, Privat

Der diesjährige „Demokratie-Index” ortet fatale Entwicklungen bei den Rahmenbedingungen für den Journalismus. Eine Dornbirnerin fordert unterdessen Verbesserungen für Bürgerräte.

Wien, Dornbirn Wie steht es um die Demokratie in Österreich? Der Verein Demokratie-Index, der jährlich einen aktuellen Demokratie-Index präsentiert, versucht diese Frage zu beantworten: In sieben Kategorien untersuchen die sieben teilnehmenden Nicht-Regierungs-Organisationen den Zustand der demokratischen Infrastruktur in Österreich. Laut der Daten stagniert dieser seit einigen Jahren, trotz des Einbruchs in einer Kategorie: Der Bereich der Medien stürzt im Vergleich zum vergangenen Jahr um 7,1 Prozentpunkte ab.

„Eine liberale Demokratie ist nur dann stark, wenn sie über eine vielfältige und kritische Medienlandschaft verfügt und die Grundrechte konsequent durchsetzt.”

Luise Wernisch-Liebich, Obfrau Verein Demokratie-Index

Der Presseclub Concordia begründet das im Speziellen mit einem „mangelnden Bewusstsein für Pressefreiheit bei Amtsträger:innen und Angriffen auf Journalist:innen”, hinzu kämen strafrechtliche Ermittlungen gegen Medienvertreter, die im Fall des Kärntner Journalisten Franz Miklautz sogar zu einer Hausdurchsuchung führten. „Vom Kanzleramt bis zum Gemeinderat offenbart sich: Der Respekt vor der Pressefreiheit ist in Österreich mangelhaft ausgeprägt”, sagt Mathias Zojer, Verantwortlicher für den Index des Presseclubs, der auch die Einstellung der Wiener Zeitung per Gesetz als Begründung nannte. Eine schlechte öffentliche Finanzierung mache Medien außerdem „anfälliger für kommerzielle Interessen”, dazu sei es etwa bei Demonstrationen zur Einschränkung der Berichterstattungsfreiheit gekommen.

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Dass der Gesamtwert der demokratischen Verhältnisse in Österreich im Vergleich zum Vorjahr stabil bei 57 Prozent blieb, lässt sich mit Verbesserungen in verschiedenen Bereichen erklären: Die Parteienfinanzierung erreichte ein Plus von acht Prozentpunkten, dank einer Gesetzesnovelle, die „externe Kontrollen, effektive Strafen und eine zeitnahe Offenlegung” eingerichtet hätte, führen die thematisch zuständigen NGOs aus. Zusätzlich herrsche im Bereich der Korruptionsbekämpfung (+ 4,7 Prozentpunkte) ein „größeres Problembewusstsein”, hier hätte es auch schon „kleinere rechtliche Verbesserungen” gegeben.

So steht es um die Demokratie in Österreich
Der Bürgerrat zum Thema Klimaschutz im Sommer 2021 wurde unter anderem von Lucia Emerich-Rüdisser initiiert. Land Vorarlberg/Bernd Hofmeister

Mangelnde direktdemokratische Einbindung

Einen Verlust um 2,3 Prozentpunkte musste hingegen der Teilaspekt der direkten Demokratie hinnehmen. Dieser liegt mit 70,5 Prozent zwar vergleichsweise hoch, die österreichische Demokratiestiftung kritisiert aber, dass die Ergebnisse des Klimarats nicht aufgegriffen und keine ähnlichen Initiativen gesetzt worden seien. Die direkte Demokratie sei zwar „insgesamt gut ausgebaut”, Bürgerräte sollten aber weiter eingesetzt werden – wie auch verpflichtende Volksabstimmungen.

„Es ist schon öfter passiert, dass die Menschen, die dabei waren, mit einem ganz anderen Blick auf das Thema herausgegangen sind, als sie am Anfang hatten.”

Lucia Emerich-Rüdisser, Initiative „Essbare Stadt Dornbirn”

Das kann Lucia Emerich-Rüdisser gut nachvollziehen. Die 38-Jährige engagiert sich seit Jahren im Rahmen der „Essbaren Stadt” für eine ökologische Flächennutzung in ihrer Stadt – in Dornbirn. Außerdem war sie maßgeblich an der Einberufung eines Bürgerrats zur Klima-Zukunft im Sommer 2021 beteiligt. Im Gespräch mit den Vorarlberger Nachrichten berichtet sie von ihren Erfahrungen: „Bürgerräte sind ein tolles Instrument, um ein Stimmungsbild aus der Gesellschaft zu einem Thema einzufangen.” Sie sieht darin keinen Ersatz für Parlamente, vielmehr ein „Hilfsinstrument, das Parteien zum Beispiel in ihren Handlungen bestärken kann”.

So steht es um die Demokratie in Österreich
Lucia Emerich-Rüdisser sieht in Bürgerräten in Vorarlberg keinen Parlamentsersatz, sondern eher die Chance auf ein Miteinander. Privat

Suche nach bester Lösung

Der Vorteil eines Bürgerrats liege vor allem im längeren Dialog – im Gegensatz zu einer Volksabstimmung, wo nur „Ja” oder „Nein” anzukreuzen ist: „Es ist schon öfter passiert, dass die Menschen, die dabei waren, mit einem ganz anderen Blick auf das Thema herausgegangen sind, als sie am Anfang hatten”, sagt Emerich-Rüdisser: „Es ist die Suche nach der bestmöglichen Lösung für alle.” Verbesserungspotenzial sieht sie aber etwa im finanziellen Bereich: „Die Teilnehmer werden ja zufällig ausgelost und dann darf es kein Hinderungsgrund zur Teilnahme sein, wenn es sich jemand ‚nicht leisten kann’ und sich freinehmen müsste.” Personen aus unteren Einkommensschichten seien dadurch auch eher unterrepräsentiert.

Aber vielleicht gibt es in diesem Bereich ja bald Verbesserungen. Für den Demokratie-Index im kommenden Jahr.