Der Gaza-Krieg als Krise für Biden

Politik / 09.11.2023 • 22:48 Uhr
Angesichts des Kriegs in Gaza steht Joe Biden auch innenpolitisch im Rampenlicht.AFP
Angesichts des Kriegs in Gaza steht Joe Biden auch innenpolitisch im Rampenlicht.AFP

Krieg in Gaza hat US-Präsident kalt erwischt. Er birgt für ihn auch innenpolitische Gefahren.

Washington Die Botschaft an Joe Biden ist unmissverständlich: Keine Waffenruhe in Gaza, keine Stimmen bei der Wahl. Der offene Brief, den der Nationale Rat muslimischer Demokraten vor wenigen Tagen an den US-Präsidenten schickte, war überschrieben mit dem Wort “Ultimatum”. Wenn Biden nicht bis zum nächsten Tag eine Waffenruhe im Gaza-Krieg erreiche, dann werde er Wählerstimmen von Muslimen im ganzen Land verlieren – dafür werde das Bündnis sorgen.

Die Frist verstrich, ohne dass die unverblümte Drohung Erfolg hatte. Ein Waffenstillstand im Krieg zwischen Israel und der Hamas ist nicht ansatzweise in Sicht. Und der Konflikt wird für Biden neben einer außenpolitischen zunehmend auch zu einer innenpolitischen Krise.

Den Ultimatum-Brief mag mancher als Provokation einer eher kleinen Parteiorganisation abtun. Doch er steht beispielhaft für ein größeres Problem: Im Nahostkonflikt steht Biden unter wachsendem Druck von diversen Seiten und steckt in einer politischen Zwickmühle, die ihm mit Blick auf die Wahl in einem Jahr gefährlich werden könnte.

Bidens Kurs

Seit der verheerenden Attacke der islamistischen Hamas auf Israel am 7. Oktober steht Biden fest an der Seite der israelischen Regierung. Biden und seine Regierung bemühen sich zwar um einen zunehmend nuancierten Ton, rufen zum Schutz von Zivilisten auf, beschreiben immer wieder das Leid der Menschen in Gaza und setzen sich für zeitlich begrenzte Feuerpausen ein.

Doch bislang ist die US-Regierung vehement gegen eine generelle Waffenruhe und argumentiert, die würde nur der Hamas in die Hände spielen. Biden verzichtet bisher auch, Israels Vorgehen öffentlich zu kritisieren oder rote Linien für den Partner aufzuzeigen. Nach einem beispiellosen Angriff wie jenem der Hamas müssten die USA uneingeschränkt für Israel da sein, heißt es.

Widerstand

In Bidens Regierungsapparat organisieren sich inzwischen Beamte, die in internen Schreiben Widerstand gegen die Linie des Präsidenten kundtun. Regierungsmitarbeiter sagen hinter vorgehaltener Hand, dass sie mit Bidens Kurs hadern. Ein ranghoher Mitarbeiter des Außenministeriums schmiss öffentlichkeitswirksam hin und erklärte, er könne die “blinde Unterstützung für eine Seite” nicht länger mittragen. Eine jüngere Mitarbeiterin des Außenministeriums machte Schlagzeilen, als sie Biden auf der Plattform X, früher Twitter, öffentlich vorwarf, er mache sich mitschuldig an einem “Genozid” an den Palästinensern.

Außenpolitische Gefahren

Linke Demokraten im Repräsentantenhaus fordern seit Wochen eine Waffenruhe, zuletzt schloss sich als erster Senator der Demokrat Dick Durbin an. Auch Dutzende Mitarbeiter im Parteiapparat der Demokraten forderten Biden in einem Brief auf, eine Waffenruhe durchzusetzen. Außenpolitisch wiederum zerrinnen alle bisherigen Fortschritte Bidens im Nahen Osten. Noch dazu droht der Gaza-Krieg auszuarten zu einem größeren Konflikt.

Die Wahl ist noch zwölf Monate entfernt – in politischer Zeitrechnung eine Ewigkeit. Doch je nach Entwicklung könnte das alles eine gewichtige Rolle spielen. Bidens politische Lage war vor dem Gaza-Krieg schon nicht einfach.

Der älteste US-Präsident aller Zeiten, der bald 81 wird, hat seit längerem mit miesen Beliebtheitswerten zu kämpfen und mit Vorbehalten wegen seines hohen Alters. Selbst unter Parteikollegen mangelt es deshalb an Enthusiasmus für seine Wiederwahlkampagne – und auch in der Demokratischen Partei scheint sich keiner wirklich sicher, ob Biden die Wahl im November 2024 gewinnen kann. Durch die Eskalation im Nahen Osten ist seine Lage deutlich schwieriger geworden.

Der US-Präsident zeigt sich geeint mit Israels Ministerpräsident Netanjahu (l.).
Der US-Präsident zeigt sich geeint mit Israels Ministerpräsident Netanjahu (l.).