Demokratie in Gefahr

Politik / 26.11.2023 • 14:15 Uhr
Seit <span style="font-family: VNPolarisWeb, &quot;Arial Narrow&quot;, sans-serif; font-size: 0.875rem; background-color: rgb(255, 255, 255); color: initial;">der Ibiza-Affäre ist die Stimmung gekippt: Heute findet nur noch eine Minderheit, dass das politische System gut funktioniert. Auf dem Foto: Ausschnitt aus dem Ibiza-Video. <span class="copyright">Foto: APA</span></span>
Seit der Ibiza-Affäre ist die Stimmung gekippt: Heute findet nur noch eine Minderheit, dass das politische System gut funktioniert. Auf dem Foto: Ausschnitt aus dem Ibiza-Video. Foto: APA

Affären: Nur noch eine Minderheit findet, dass das politische System gut funktioniert.

SCHWARZACH Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) weist die Vorwürfe zurück: Er habe nie versucht, über den im Oktober verstorbenen Spitzenbeamten im Justizministerium, Christian Pilnacek, Einfluss auf staatsanwaltschaftliche Ermittlungen zu nehmen. Das hatte dieser im Sommer in einem Wiener Restaurant behauptet. Genauer: Ein ehemaliger BZÖ-Funktionär hatte es ohne sein Wissen aufgenommen und jetzt veröffentlicht. Österreich hat eine Politaffäre mehr. Schön langsam wird’s gefährlich – und zwar auch für die Demokratie.

Ihr setzt sehr vieles zu: Entwicklungen, die mit Pandemie und Teuerung einhergehen, zum Beispiel. Einen „starken Effekt“ haben laut Martina Zandonella vom Sozialforschungsinstitut SORA jedoch Korruptionsaffären. Zandonella kann es belegen. Sie leitet einen Demokratiemonitor und lässt regelmäßig mehr als 2000 Frauen und Männer vom Boden- bis zum Neusiedlersee befragen.

Nationalratspräsident Sobotka weist Vorwürfe zurück, Einfluss auf staatsanwaltschaftliche Ermittlungen genommen zu haben. <span class="copyright">Foto: APA</span>
Nationalratspräsident Sobotka weist Vorwürfe zurück, Einfluss auf staatsanwaltschaftliche Ermittlungen genommen zu haben. Foto: APA

Angefangen hat es 2018 damit, dass zwei Drittel erklärten, dass das politische System in Österreich sehr oder ziemlich gut funktioniere. Dann kam das Jahr 2019 mit der freiheitlichen Ibiza-Affäre, und nur noch die Hälfte war dieser Meinung. 2021 ließ Zandonella gleich zwei Erhebungen durchführen. Eine vor und eine nach Beginn der türkisen Chataffäre, die den Rücktritt von Sebastian Kurz als Kanzler und dann auch als ÖVP-Chef zur Folge hatte. Ergebnis: Nur noch 41 Prozent fanden danach, dass das politische System funktioniere. Bis zur jüngsten Erhebung im vergangenen Jahr kam es zu einem weiteren Rückgang auf 34 Prozent. Sprich: Die Stimmung ist in wenigen Jahren gekippt.

Auffallend ist, dass sich das durch alle Bevölkerungsschichten zieht. Auch in der Mitte, wie Zandonella berichtet. Dort breite sich die Wahrnehmung aus, dass es sich privilegierte Gruppen richten würden; dass es ihnen vor allem darum gehe, Eigeninteressen zu bedienen. Korruption ist eine Form davon: Sie steht für den Missbrauch anvertrauter Macht zum eigenen Nutzen oder zum Beispiel auch dem einer Partei.

Martina Zandonella sieht eine Gruppe, die jetzt erst recht mehr Demokratie will. Aber: „Wenn sich nichts ändert, dann resignieren auch diese Leute und wenden sich ab.“  <span class="copyright">Foto: SORA</span>
Martina Zandonella sieht eine Gruppe, die jetzt erst recht mehr Demokratie will. Aber: „Wenn sich nichts ändert, dann resignieren auch diese Leute und wenden sich ab.“ Foto: SORA

Was aber bedeutet es, dass bereits eine Zweidrittelmehrheit findet, dass das politische System nicht mehr gut funktioniert? Zandonella sieht zunächst drei Konsequenzen: „Es gibt relativ stabile zehn Prozent, die sagen, es brauche einen starken Führer. Bei ihnen stellen wir eine gewisse Radikalisierung fest.“ Vor allem im unteren Einkommensdrittel gebe es zudem Leute, die sich nicht mehr beteiligen und auch nicht mehr an Wahlen teilnehmen.

Hoffen lassen könnte hingegen eine Tendenz, die eher im mittleren und im oberen Einkommensdrittel anzutreffen sei. Sie müsste allerdings genutzt werden: „Hier kommt es zum gegenteiligen Effekt: Es wird mehr Demokratie, mehr Unabhängigkeit von Medien und Justiz, mehr Beteiligung gefordert. Das wäre sogar eine Chance für die Politik.“ Allein: „Wenn sich nichts ändert, dann resignieren auch diese Leute und wenden sich ab.“ Das wäre fatal, wie Zandonella warnt: „Demokratie ohne Beteiligung funktioniert nicht.“